Rettung vor dem Mörder

"Es war im Jahr 1948, als ein Verwandter mir auf der Straße geheimnisvoll erzählte "Du, dein Mann hat dir was Nettes gekauft." Und als ich nach Hause kam, zeigte mein Mann mir stolz seine Errungenschaft: In der hintersten Ecke unter dem Herd saß ein kleiner schwarzer Spitz. Heute kann ich's sagen: Ich war entsetzt, als ich ihn sah. Aber selbstverständlich nur innerlich, nach außen tat ich begeistert, denn mein Mann dachte doch, wie groß meine Freude sein müsse.

 

Dieser Großspitz war eine Hündin, die mit Stammbaumnamen Berta von Hüllhorst hieß und die ich Lumpi taufte. Zunächst war es gar nicht so einfach mit uns beiden. Scheu und ängstlich drückte sich der vier Monate alte Hund in die Ecken und hatte am ersten Abend einen Riesenhunger. Und er sah so gar nicht rasserein aus mit seinen krummen Vorderbeinen, dem Kopf, der mir viel zu groß erschien und dem fast nackten Hinterteil. Aber siehe da, es wurde ein Hund, ein richtiger Hund mit Charme, aus dem Häufchen Unglück. Nachdem er zwei Nächte vor Herrchens Bett campiert hatte, schlief er von der dritten Nacht an vor meinem. Und immer ging er mit mir, wohin ich auch ging. Sogar ins Kino. Ich glaube, er war der einzige Hund in Köln, der das durfte. Nur sehr schreckhaft war er, und Züchter sagten mir, er werde das nie ablegen. Wenn man mit ihm spazieren ging und irgendwo schlug eine Tür zu, dann sprang er entsetzt vom Bürgersteig. 

 

Eines Tages, im Jahre 1951, hatte mich mein Mann im Wagen mitgenommen. Wir fuhren zurück über die Autobahn und am Abend, in der Gegend von Siegburg, tauchte auf einmal auf dem Seitenstreifen ein Radfahrer auf, der uns entgegenfuhr. Die Scheinwerfer leuchteten ihm ins Gesicht bis mein Mann abblendete - und ich wunderte mich über den Mann, weil ja das Radfahren auf der Autobahn verboten ist. 

Mörder Prigan Spitz
Großspitzin Lumpi bewahrte ihr Frauchen vor dem Mörder Prigan

Unterhalb Siegburgs hielten wir an einer Raststätte an. Ich ging mit Lumpi ein Stück in den Wald, während mein Mann beim Wagen blieb. Wir gingen einen schmalen Pfad entlang, etwa 30 Schritte von der Autobahn entfernt. Dann lief mein Hund in den Wald.

 

Plötzlich kam mir über diesen Pfad ein Radfahrer entgegen. Ich erkannte ihn sofort: Es war der Mann von der Autobahn. Wie er kurz vor mir war, sprang er vom Rad. Das Licht seiner Fahrradbeleuchtung strahlte mich an. Sehr freundlich und devot fragte mich der Mann nach dem Weg der nächsten Tankstelle. ich sagte ihm: "Aber da kommen Sie gerade her", und hatte ein merkwürdiges Gefühl der Unruhe in mir. In diesem Augenblick kam Lumpi aus dem Gebüsch, stellte sich neben mich und sah aufmerksam und unverwandt den Mann an, ihr blankes Wolfsgebiss zeigend. Ich nahm Lumpi an die Leine und wir gingen. Der Mann fuhr seinen Weg zurück.

 

Später hat es sich herausgestellt: Der Mann war Prigan, der Autobahnmörder Prigan. Und sicher hat ihn nur das Auftauchen des Hundes erschreckt und gewarnt. Sehen Sie, das ist mein fester Glaube: Nur darum bekam ich eines Tages Lumpi als Häufchen Unglück ins Haus, damit mich das Tier vor einem grässlichen Tode bewahren sollte, wenn ich ein Herz für es hätte."

 

Diese rührende Geschichte, die sich tatsächlich zugetragen hat, zeigt, dass der Deutsche Spitz seine Treue nicht nur in Form von Anhänglichkeit beweist, sondern sich auch als Helfer und Beschützer in schwierigen Situationen bewährt. Hier hat Lumpis Besitzerin es diesem treuen schwarzen Großspitz zu verdanken, dass sie nicht zu den Opfern dieses gefürchteten Mörders gehörte.  

 

Lumpi, die in Köln-Mülheim zu Hause war, kam Weihnachten 1952 durch Gift um. Ihr Frauchen hat sie nie vergessen. 

Aus "Hunde - Retter, Helfer, Spielgefährten - Sie suchen dein Herz", Neue Rhein-Zeitung vom 23.10.1954

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