Gux, der Hund mit dem goldenen Herzen, hat ein schweres Schicksal hinter sich. Er, der selbst eine geprügelte und gequälte Kreatur war, ist der schönste Beweis dafür, dass sich ein Charakter auch durch schlechteste Erfahrungen nicht für immer verderben lässt.
"Die bittenden Augen des reinrassigen Wolfsspitzers rührten mich fast zu Tränen, als ich ihn das erste Mal sah", gesteht Tierschutzinspektor Ewald Scheer aus Freiburg im Breisgau. "Gux hatte das elendste Leben, das man sich vorstellen kann. Nachts wurde er in einen stinkenden dunklen Schweinestall gesperrt, tagsüber kam er angekettet in ein altes Fass. Das stand auf einem Misthaufen. Der arme Hund konnte sich des Gestanks und des Ungeziefers kaum erwehren." Abgemagert, zitternd vor Angst, mit räudigem Fell, so fand Tierschutzinspektor Scheer das wertvolle vierjährige Tier. Der Bauer, bei dem Gux sein trauriges Leben fristen musste, weigerte sich, auch nur ein bisschen menschlicher zu seinem Hund zu sein.
Heimlich, bei Nacht und Nebel, kam der Tierschutzinspektor zurück. Er verließ sich nicht auf den Behördenweg. "Mir war klar, hier musste, wenn auch etwas außerhalb der Legalität, sofort geholfen werden. Ich konnte nicht anders." In derselben Nacht band er den Wolfsspitzer heimlich los und trug die zitternde Kreatur in den Tierrettungswagen. "Zuerst ließ Gux den Kopf tieftraurig hängen. Dann witterte er die anderen Tiere, die von uns schon transportiert worden sind. Irgendwie schien ihm die Atmosphäre in dem Auto zu gefallen. Als ich beruhigend auf ihn einsprach, hob er mühsam den Kopf und schaute mir voll ins Gesicht. Mir war, als lächelte mich das Tier regelrecht an." Im Landestierheim des Freiburger Tierrettungsdienstes wuchs Gux bald zu einem prachtvollen Wolfsspitzer heran. Tierpflegerin Gabi kümmerte sich besonders um ihn. Sein Fell bürstete sie jeden Tag, bis es wieder dicht und glänzend geworden war.
Anfangs war Gux scheu und ängstlich. Wenn er fremde Schritte hörte, verkroch er sich misstrauisch in die hinterste Ecke. Aber bereits ein paar Wochen später zeigte Gux auf ganz besondere Art seine Dankbarkeit. Ewald Scheer erzählt: "Alle Neuankömmlinge in unserem Landtierheim begrüßt der Hund schweifwedelnd und freundlich. Er spricht ihnen auf seine Weise Mut zu. Denn fast alle Tiere, die bei uns eintreffen, haben ein schreckliches Erlebnis hinter sich. Neuankömmlinge, die sich bei uns noch nicht eingewöhnt haben, die unruhig sind, die nicht fressen wollen - sie alle werden von Gux beruhigt", fährt Ewald Scheer fort. "Allen traurigen Hunden wird Gux zum Gefährten gegeben. Er freundet sich mit jedem an. Er zeigt ihnen zum Beispiel, wie gut das Fressen in dem neuen Heim schmeckt. Dabei geht Gux so klug vor, selbst immer nur ein wenig aus dem Napf zu fressen, so dass sein jeweiliger Gefährte immer noch genug für sich übrigbehält."
Schon viele begeisterte Tierfreunde wollten Gux mit nach Hause nehmen. Aber er soll jetzt für immer im Landtierheim bei den Scheers bleiben. "Hier ist sein Zuhause." Die Scheers lächeln - und Gux auch. Gux ist der gute Geist des Tierheims.
Express, 04.01.1972