Eine Nacht in den Bergen

Wolfsspitz Rettung Berge Aramis Oberhummer
Herrchen bedankt sich bei seinem Retter Aramis mit einer leckeren Wurst.

Die Berge sind seine ganze Leidenschaft - und sie wären dem begeisterten Kletterer Anselm Oberhummer (30) fast zum tödlichen Verhängnis geworden. Wenn da nicht sein treuer Hund wäre. Zusammen mit seinem Wolfsspitz Aramis war der Musiklehrer morgens um sieben losgezogen. Er hatte seinen unterrichtsfreien Tag im "Musikschulwerk Salzburg" und wollte "mal wieder so richtig durchatmen". Die Tour begann bei schönstem Wetter. Sie führte das Zweiergespann über die Poserhöhe bis zum Flugkopf, einer Berghöhe in der Nähe von Badgastein (Salzburger Land). "Eine Strecke", berichtete Oberhummer später, "die Aramis und ich schon seit Jahren genau kennen."

 

Nach dem Gipfelaufstieg trat der Musiker den Rückweg über den ihm unbekannten Glaserer Steig an - ein herrliches Stück unberührter Natur. Oberhummer: "Das ganze Wegstück wurden mein Hund und ich von zwei Steinadlern begleitet. Es wurde ein unvergesslicher Tag." Unvergessen nicht nur wegen der seltenen Vögel! Denn am Nachmittag kam Nebel auf - und eisige Kälte. Oberhummer verlor die Orientierung und wagte keinen Schritt mehr "in der undurchsichtigen Milchsuppe", wie er sich erinnert. Der geübte Bergsteiger Oberhummer erinnerte sich an die alte Kletterer-Weisheit: Verirrt man sich in alpinem Gebiet und ist ein gefahrloser Abstieg nicht möglich, muss man bleiben, wo man ist. Also harrte der Musiklehrer mit seinem Hund dort aus, wo er sich gerade befand. So, als ahnte der treue Hund die tödliche Gefahr für seinen der Kälte hilflos ausgesetzten Herrn, schmiegte sich das Tier ganz eng an den Körper von Anselm Oberhummer. Wie eine verschworene Gemeinschaft hockten die beiden nebeneinander. Der Lehrer wurde gequält von Waden- und Oberschenkelkrämpfen, von Schüttelfrost und Brechreiz. Aramis spürte die Gefahr des schleichenden Kältetodes. Immer, wenn sein Herrchen einzuschlafen drohte, stupste er ihn mit seiner feuchten Nase an und weckte ihn auf. Regelmäßig trottete der Wolfsspitz auf und ab, um auch sich selbst aufzulockern. So hielten beide die Nacht durch.

 

Oberhummer nach dem glücklichen Abstieg am nächsten Morgen: "Ohne Aramis wäre dies meine letzte Tour gewesen."

Aus: Fernseh-Woche Nr. 7/84

Kommentare: 0