INHALTSVERZEICHNIS:
An der Umschreibung des American Eskimo Dogs (auch "Eskie" bzw. "AED") zum weißen Großspitz scheiden sich nach wie vor die Geister. Schon einmal habe ich versucht, der Frage auf den Grund zu gehen, ob es sich beim Deutschen Großspitz und beim American Eskimo Dog um dieselbe Hunderasse handelt oder eben nicht (siehe "Der American Eskimo Dog"). Damals kam ich zu der Schlussfolgerung, dass die Eskies zwar in ihren Anfängen auf den Großspitz zurückgehen, sich aber inzwischen zu einer völlig anderen Rasse weiterentwickelt haben. Inzwischen liegen mir neue Fakten vor, die ich hier gern aufzeigen möchte und die absolut dagegensprechen, den Eskie ohne Auflagen zum Großspitz umzuschreiben oder beide Rassen ohne Zuchtlenkung zu verpaaren.
Im Mai 2021 wurde von Felipe Avila and Shayne Hughes eine Studie namens „Genetic Diversity Testing for American Eskimo Dog“ herausgegeben. Das Veterinary Genetics Laboratory (VGL) in Zusammenarbeit mit Dr. Niels C. Pedersen untersuchte hierbei die genetische Heterogenität der teilnehmenden Eskies. Herausgekommen ist bei dieser Studie Folgendes (stark zusammengefasst):
Die American Eskimo Dogs in der Standardgröße (38 – 50 cm) sind in keiner besseren Situation, was ihre genetische Diversität anbelangt, als der Großspitz. Diese Eskies haben, wie viele andere eher „unpopuläre“ Rassen auch, eine geringe genetische Vielfalt und sind relativ inzüchtig. Die Anzahl der in dieser Studiengruppe identifizierten DLA1- und DLA2-Haplotypen war im Vergleich zu anderen Rassen recht gering. Die Ergebnisse der Studie zeigen schlussendlich auf, dass die Rasse der AED aus einer kleineren Anzahl von Gründertieren gezüchtet wurde und dass diese eng verwandten Linien im Laufe der Zeit niemals wirklich ausgekreuzt wurden.
Weiterhin kommt die Studie zu folgendem Ergebnis: Sollte für die American Eskimo Dogs in Erwägung gezogen werden, die genetische Vielfalt der Rasse durch Auskreuzungen (genetische Introgressionen) zu erhöhen, müsste auch die DNA der dafür vorgesehenen Hunde sehr penibel untersucht werden, damit das Einbringen von Gendefekten, Krankheiten usw. definitiv ausgeschlossen werden kann.
Die Ergebnisse der Studie lassen folgende Schlussfolgerungen für uns zu: dass nämlich die Umschreibung der Eskies zum Großspitz und deren Verpaarung mit Großspitzen überhaupt gar keinen Sinn macht. Oder den Großspitzen auch nur irgendeinen Vorteil bringt. Denn Inzucht x Inzucht ergibt immer noch Inzucht. Auskreuzung mit Fremdrassen macht nur Sinn, wenn die neue Rasse, mit der verpaart wird, gesund ist.
Der Hinweis der Studie, dass die Hunde, durch deren Einbringung man die genetische Vielfalt einer Rasse erhöhen möchte, vorab sehr genau zu untersuchen sind, muss hier unbedingt betont werden! Hätte man die beiden importierten Eskie-Hündinnen im Vorfeld gründlich untersucht, wäre der Großspitzpopulation beispielsweise die Augenkrankheit prcd-PRA (Progressive Retinaatrophie) erspart geblieben.
Zur Studie "GENETIC DIVERSITY TESTING FOR AMERICAN ESKIMO DOG" auf das Bild klicken
In den amerikanischen Standards des American Eskimo Dog ist nachzulesen, dass es sich bei ihm um eine Trabrasse (wortwörtlich: "Trotting breed"[4]) handelt - eine Rasse also, die längere Zeit ohne Ermüdung traben kann. Auch sprechen die Standards davon, dass sich seine Tendenz zum ausdauernden Trabe in seiner gut gewinkelten Vorder- und Hinterhand widerspiegelt; mit einer Tendenz zum "Single Track", sobald sich seine Geschwindigkeit erhöht.
Was das bedeutet? Mit zunehmender Geschwindigkeit läuft der Eskie einspurig, er "schnürt": die Läufe beginnen, sich allmählich nach innen zu winkeln, bis die Ballen auf einer geraden Linie direkt unter der Längsmitte des Körpers aufkommen. Während dieser Bewegung bleibt die Oberlinie stark, eben und fest.[3]
Das Gegenteil vom "Single Track" ("Schnüren") ist der "Double Track" ("Schränken"). Unser Deutscher Spitz schränkt bei höherer Geschwindigkeit, ganz im Gegensatz zum Eskie. Auch fordert der Rassestandard für den Deutschen Großspitz sowohl einen anderen Winkel der hinteren Sprunggelenke, als auch eine andere Rückenlinie, als sie der American Eskimo Dog aufweisen kann. Auf diese Unterschiede gehe ich nun genauer ein:
Landraubtiere, wie der Wolf, "schnüren" beim Traben, das heißt, sie setzen beim Vorgreifen des Hinterfußes diesen direkt in die Spur des Vorderfußes. Die Fährte sieht dann im Prinzip wie eine fortlaufende Schnur aufgereihter Fußabdrücke aus. Deswegen nennt man es eben auch "Schnüren". Die Hinterhand steht beim Traben in der selben Ebene wie die Vorhand. Auf englisch nennt man das Schnüren auch "Single Track".
Den Gegensatz zum Schnüren bildet das „Schränken“ bzw. der "Double Track". Hier stehen die einzelnen Tritte dabei mehr oder weniger weit von der gedachten Mittellinie ab. Bei besonders vollgefressenen oder hochtragenden (also besonders "breiten") Wölfinnen kann das Schnüren durchaus mehr oder weniger zum Schränken werden. Ähnliches gilt auch für den Gang unserer Haushunde: schwere oder breitgestellte Rassen mit kurzem Rücken schränken durchweg. Für beispielsweise den Schäferhund und den Samojeden, den Sibirischen Husky oder den Eskie ist hingegen das Schnüren die Regel und wird so auch im jeweiligen Standard gefordert [7].
Der Wolf „schnürt“, weil er auf der Suche nach Beute zu langanhaltendem Trab befähigt sein muss. Sein Gangbild muss also sehr zielgerichtet, effizient und ergonomisch sein.
Schnüren ist wesentlich kraftsparender als Schränken: wenn die Läufe eines Hundes beim Traben unterhalb des Körpers auf einer Schwerpunktlinie zusammenlaufen, kann der Hund sein Gleichgewicht besser halten, da ja bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr alle Pfoten Bodenkontakt haben. Single Tracking ermöglicht es dem Hund, das seitliche Schwanken seines Körpers zu verringern und diesen durch Schaffung eines mittigen Schwerpunktes zu stabilisieren. Je schneller sich ein schnürender Hund bewegt, desto effizienter wird auch sein Laufstil. Es wird übrigens erst bei höheren Geschwindigkeiten geschnürt, beim Gehen schnürt auch der Wolf nicht.
Die Form und die Länge der Läufe beeinflussen die Neigung einer Hunderasse zum "Single Track". Je breiter der Hund gebaut ist und je niedriger sein Schwerpunkt ist, desto mehr neigt er zum Schränken, er trabt (wenn überhaupt) quasi "zweigleisig". Da der Double Track ein nicht sehr effizienter Laufstil ist, hat das zur Folge, dass schränkende Hunde bei hohen Geschwindigkeiten wesentlich schneller ermüden, da sie mit viel mehr Kraftaufwand laufen müssen.
Der Hund links im Video schränkt, der Samojede schnürt
Bild 1: Trabender Schäferhund: Vorder- und Hinterlauf sind auf einer Linie; Bild 2: Trabender Großspitz: der Hinterlauf berührt außen neben dem Vorderlauf den Boden; Bild 3: Trabender Wolf: Vorder- und Hinterlauf sind auf einer Linie; Bild 4: Trabender Großspitz: der Hinterlauf setzt neben dem Abdruck des Vorderlaufs auf dem Boden auf.
Da im amerikanischen Standard vom American Eskimo Dog gefordert wird, ausdauernd im "Single Track" traben zu können, lässt dies erste Rückschlüsse auf seine körperliche Beschaffenheit zu. Diese muss sich folglich eklatant von der unseres schränkenden Großspitzes unterscheiden. Der American Eskimo Dog ist komplett anders gebaut, sonst wäre ihm ausdauerndes Traben bei hoher Geschwindigkeit gar nicht in der Form möglich. Der korrekt gebaute Deutsche Spitz hingegen trabt in der Regel fast nicht, da er aufgrund seines quadratischen Körperbaus zum effizienten Laufen nicht befähigt ist. Der kurze Rücken sorgt nämlich dafür, dass das betreffende Tier eher zum Galoppieren als zum Traben neigt (meist traben Spitze nur kurz an und galoppieren dann direkt), da bei höherer Geschwindigkeit die Stöße beim Aufkommen schlechter durch den gedrungenen Körperbau absorbiert werden. Dadurch ist dieser Laufstil sehr ineffizient und der Hund nicht ausdauernd in der Leistung.
Der amerikanische Standard für die Eskies fordert, dass deren Hinterhand "gut gewinkelt" sein soll, der optimale Winkel beträgt ungefähr 30°. Auf der Grafik rechts entspricht die gewünschte Stellung der Hinterhand der Eskies der Tafel D, während die Hinterhand des Großspitzes, die laut deutschem Standard nur "mäßig gewinkelt" sein darf, der Tafel F entspricht. Die Hinterhand des Großspitzes ist also wesentlich steiler als die des Eskies.
Und was besagt die Winkelung der Hinterhand?
Je stärker die Hinterhand gewinkelt ist, desto besser kann ein Hund springen und laufen. Nun haben unsere Spitze ja laut offiziellem Standard eine eher gerade, steile Hinterhand. Diese Art der Hinterhand ist bei manchen Hunderassen erwünscht und führt dazu, dass die Hunde sehr „stabil“ stehen können; die Beine wirken dabei fast wie starke Säulen.
Für die Antriebsdynamik des Hundes ist dieser Körperbau schwierig, da eine „Federung“ nicht so gut möglich ist. Manche Rassen - wie der Spitz - zeigen zwar durch ihre Beckenneigung noch einen erstaunlichen Antritt und sprinten unheimlich schnell, aber eben nicht ausdauernd. Auch für die Kraft zum Absprung benötigt der Hund eine gewisse „Federdynamik“, die besser funktioniert, wenn mehr Winkelung vorhanden ist. Genauso verhält es sich mit ausdauerndem Trab oder ausgreifendem Galopp: auch hier verbessert ein ausgeprägter Hinterhandwinkel die Ausdauerleistung immens.
Mittelgroße Hunde mit steiler Hinterhand - wie der Großspitz - gehen bei übertriebenem Springen übriges immer ein gewisses Risiko ein, da die Kraftübertragung hier sehr schwer möglich ist. Insbesondere das Springen von einer Höhe, die über dem Widerrist liegt, wird dadurch extrem anstrengend. Dieser „Effekt“ liegt nicht nur in der knöchernen „Grundsubstanz“ begründet, sondern auch darin, dass weniger „Fläche“ für Muskelansatz zur Verfügung steht. Dies wäre dann an dieser Stelle also auch gleichzeitig ein Plädoyer GEGEN Agility beim Deutschen Großspitz! Denn die dort ausgeübte Springerei ist aufgrund seines Körperbaus nicht gut für sein Gebäude.
Bild 6 (Schäferhund) und Bild 7 (Deutscher Spitz): mit Gelb markiert ist die sichelbeinartige Stellung des hinteren Mittelfußes. Ist diese Linie (gelb) gefunden, wird eine zweite Linie gezogen, die durch den Sitzbeinhöcker geht (rot). Mit einer dritten Linie, die direkt am Ende der Lende verläuft, sehen wir dann die „Tiefe“ des Oberschenkels – hier lila. Bei einer steilen Winkelung wie auf Bild 7 kann es passieren, dass die gelbe Linie in oder sogar vor den Hinterpfoten landet. Ganz im Gegensatz zu einer normalen bis großen Winkelung: dort befindet sich die gelbe Linie stets hinter den beiden anderen Linien. Bild 8 zeigt deutlich die zu starke Winkelung der Hinterhand des schwarzen Spitzes. Diese entspricht eher Bild 9 (Schäferhund).
Fazit?
Die unterschiedlichen, vom deutschen bzw. amerikanischen Standard geforderten Winkelungen der Hinterhand bei Großspitz und Eskie zeigen erneut deutlich auf, dass es sich hier um zwei verschiedene Rassen handelt. Die eine wurde für ausdauernden Trab gezüchtet und im Laufe der Zeit körperlich angepasst, die andere ist schon aufgrund ihrer Verwendung und dem daraus resultierenden Körperbau überhaupt nicht für Ausdauerleistungen geeignet.
Die Hauptaufgabe der Hinterhand ist es, den Hund vorwärts zu schieben. Sie leitet jede Bewegung ein. Durch Streckung der Gelenke und Abstoßen vom Boden wird der Körper nach vorne geschoben. Bei richtigem Längenverhältnis der einzelnen Knochen können lange, kräftige Muskeln mit viel Hubhöhe angelagert werden, die Hinterhand hat eine große Schrittweite und Sprünge, die Bewegung kann weich abgefedert werden.
Liegt nun die Hinterhand (Kruppe) gleichauf oder etwas höher als der Widerrist, ist der Hund in der Rückenlinie "gerade" bzw. "überbaut". So zeigen zum Beispiel Hirtenhunde wie der Šarplaninac – also Hunde, die, wie unser Spitz, ortsgebundene Wächter sind – oft eine leichte „Überbauung" (ist hier gut zu sehen). Dies hat seinen Grund in der Verwendung der Hunde: sie wurden in der Vergangenheit als Schutz- und Wachhunde auf Kraft und Maße gezüchtet und verloren dadurch die Befähigung zu ausdauerndem Trab, den sie in ihrem Wächterdienst auch nicht nötig hatten. Dagegen wurde kraftvolles Anspringen des Gegners und bisweilen auch kurzes Verfolgen desselben in möglichst hartem Galopp erforderlich. Dies wurde durch eine gerade bis leicht überbaute Rückenlinie erreicht.
Der Standard des American Eskimo Dog hingegen fordert, dass der Widerrist der höchste Punkt der Rückenlinie zu sein hat [10], was ja bedeutet, dass die Rückenlinie des Eskies immer leicht abfallend sein muss. Dies macht bei ihm als Traber definitiv Sinn, während die gerade bis leicht überbaute Rückenlinie des Spitzes optimal für seinen Job als Hofwächter geeignet ist.
Aus der Betrachtung des Ganges, der Hinterhand und der Rückenlinie von Spitz und Eskie kann nun eindeutig Folgendes geschlussfolgert werden: der American Eskimo Dog ist körperlich komplett darauf ausgelegt, sich möglichst ausdauernd in ordentlichem Trab zu bewegen. Er ist ein Sportler. Der Großspitz hingegen ist ein hoftreuer Wächter, dessen gesamte körperliche Erscheinung vor allem dazu dient, maximal beeindruckend zu wirken, um Räuber jeder Art in die Flucht zu schlagen. Dazu sind ihm eine ordentliche Wucht beim Anspringen sowie die Fähigkeit zu scharfem Galopp dienlich, um möglichst schnell zur Stelle sein zu können und um ggf. heftig angreifen zu können.
Im aktuellen Standard für den Deutschen Großspitz ist zu lesen, dass diesem der Jagdtrieb fehlt. Aber warum jagt der Spitz nicht? Zum einen, weil ein richtiger Spitz kein Interesse an der Jagd hat.
Aber Vorsicht: Jagt der Spitz Mäuse, Ratten und ähnliches Ungeziefer, fällt dies nicht in die Kategorie "Jagdtrieb", sondern in den Bereich "Raubzeugschärfe" (siehe mein Artikel "Das Wesen des Spitzes").
Zum anderen - und das ist wirklich wichtig - jagt er nicht, weil seine körperliche Beschaffenheit dies einfach nicht zulässt. Wie wir bereits gesehen haben, sind sein kurzer, gerader Rücken, seine steile Hinterhand und sein Gangbild exakt auf einen Hund zugeschnitten, der für die ortsgebundene Wächterarbeit auf beispielsweise einem Hof oder einem Boot wie geschaffen ist. Der Großspitz kann zwar schnell und hart sprinten, aber eben nicht lange und ausdauernd.
Nicht ohne Grund wird in den alten Büchern über Spitze durchweg davon abgeraten, mit Hunden zu züchten, die etwa zu lange Rücken hatten. So heißt es in "Der Deutsche Spitz in Wort und Bild": "Sein ganzer Körperbau erschwert ihm das Hetzen [...]. Durch seinen kurzen Rücken fehlt ihm die Biegsamkeit in den Lenden, ferner kann die fest auf dem Rücken aufliegende Rute nicht zur Steuerung des Körpers während des Jagens verwenden, ebenso verhindern ihn seine kurzen Vorderläufe, sowie die eher etwas geraden als stark gewinkelten Hinterläufe am Hetzen."[8]
Dies bestätigt nochmal die gewonnenen Erkenntnisse. Man sieht also, dass rein gar nichts an der körperlichen Beschaffenheit des Großspitzes dem Zufall unterliegt. Damit unser Spitz also als der Hofwächter "schlechthin" eine gute Figur machen kann, muss zwingend darauf geachtet werden, dass:
Der Eskie hingegen hat einen gänzlich anderen Körperbau, der eher dem der nordischen Spitze entspricht (wie etwa dem vom schwedischen Lapphund oder Samojeden, die allesamt jagen). Sein längerer Rücken, seine stärker gewinkelten Hinterläufe und sein schnürendes Gangbild unterscheiden ihn durchaus vom Deutschen Spitz.
Daher: Nichts am Körperbau des Spitzes ist Zufall! Sein fehlender Jagdtrieb, sein Wesen, sein Exterieur entspringen einem Zusammenspiel von diversen körperlichen und mentalen Faktoren, deswegen ist wirklich jedes kleinste Detail an ihm von größter Wichtigkeit!
Obwohl unsere weißen Großspitze die Gründerrasse der American Eskimo Dogs waren, haben sich beide Rassen im Laufe der Zeit doch auseinander entwickelt - sowohl durch die räumliche Trennung, als auch durch die Einkreuzung von Fremdrassen in den American Eskimo Dog, wie dem Samojeden, der in seiner Heimat Sibirien nicht nur als Schlittenhund, sondern auch als Jagdhund gezüchtet wird. Und ebenso wie der Samojede hat der Eskie ein hohes Energielevel und ist sehr bewegungsfreudig - ganz im Gegensatz zum Deutschen Spitz. Dieser bewegt sich zwar auch gern, aber eher moderat und kommt auch gut damit klar, wenn mal weniger los ist.
Auch körperlich unterscheiden sich Deutsche Spitze und American Eskimo Dogs voneinander: die Eskies sind ausdauernde Traber, während der Spitz eher schlecht als recht zum Traben befähigt ist. Sie haben jeweils ein unterschiedliches Gangbild, denn während der Eskie bei höherer Geschwindigkeit wie ein Wolf zu schnüren beginnt, schränkt der Deutsche Spitz durchweg. Auch hat der Eskie mitunter einen höheren Beutetrieb[1], während der Deutsche Spitz laut Standard überhaupt kein Interesse an der Jagd haben darf. Daraus resultiert möglicherweise ich eine verringerte Wachsamkeit der Eskies, denn ein Hund, der jagt, ist sicherlich vieles, aber nicht hoftreu.
Was hier auch deutlich wird: die Großspitze, die Eskies unter ihren Vorfahren haben, sind möglicherweise aufgrund ihres höheren Energielevels, ihrer Freude an Bewegung, ihrem Beutetrieb und ihrer reduzierten Wachsamkeit anders zu erziehen, als ein "richtiger" Großspitz. Auch sind sie - als Nachfahren von Zirkushunden, aus denen ja logischerweise auch die Schärfe herausgezüchtet wurde - in der Regel wesentlich leichter zu dressieren, viel umgänglicher mit fremden Menschen oder haben z.B. Spaß an Apportspielen, die bei einem Deutschen Spitz nur Widerwillen auslösen würden (Apportieren entspringt dem Beutetrieb, daher apportieren Spitze nicht wirklich). Nur als Wachhunde sind sie folglich nicht mehr geeignet.
Insofern mein Hinweis: befinden sich American Eskimo Dogs unter den näheren Vorfahren Ihres Großspitzes, schauen Sie sich Ihren Hund genau an. Tendiert er in Richtung Eskie, dann sind die Spitz-Erziehungstipps nichts für Ihren Hund. Auch braucht er höchstwahrscheinlich mehr Bewegung und Beschäftigung als ein ordentlicher Deutscher Spitz.
Was vergangen ist, ist vergangen und lässt sich nun nicht mehr ändern! Dies gilt auch für die zahlreichen Nachkommen der beiden seit 2003 importieren AED-Hündinnen (siehe "Der American Eskimo Dog"). Die schon geborenen Spitz-Eskies hingegen müsste man sich sehr genau anschauen und im besten Falle einer an den Spitz angepassten Arbeitsprüfung unterziehen, um ausschließlich diejenigen zur Weiterzucht zu verwenden, die genetisch voll nach dem Großspitz schlagen, damit sich die Population der Deutschen Spitze wieder mehr dem alten Ideal und dem verbindlichen (!) Standard annähern kann. Schließlich ist unser Spitz doch ein altes, deutsches Kulturgut, das bitte unbedingt erhalten werden muss!
Ich möchte gern eins deutlich klarstellen: ich habe absolut nichts gegen den American Eskimo Dog, noch gegen seine Nachfahren hierzulande! Ich will auch auf niemanden mit dem Finger zeigen oder ihn gar mit Dreck bewerfen oder irgendwelche Hunde schlecht machen. Nur müssen Fehler aus der Vergangenheit erkannt und benannt werden, um sie korrigieren zu können. Oder wie schon Marie von Ebner-Eschenbach schrieb: "Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein."
Kein Hund ist besser oder schlechter als der andere. Wenn man aber Großspitze züchten möchte, dann sollte eben nicht nur "Großspitz" in der Ahnentafel stehen. Leider haben wir inzwischen immer mehr große Spitze, die weder vom Körper noch vom Wesen her dem Standard entsprechen. Dies bedeutet nichts weniger, als dass man als Käufer nicht mehr weiß, was man da eigentlich für ein Überraschungsei bekommt. Wird der Spitz scharf sein und wachsam? Jagt er alles, was sich bewegt? Hat er 45 cm Schulterhöhe oder eher 60cm? Muss ich täglich bürsten oder nie? Liebt er alle Menschen oder tackert er sie lieber?
Es gibt nun auch Menschen, die der Meinung sind, der Deutsche Spitz des 21. Jahrhunderts habe sich halt einfach nur "modernisiert" und sich der Zeit und der Nachfrage angepasst. Denn der "moderne" Käufer wünscht eben einen Großspitz, der ausdauernd am Fahrrad läuft, ungeübt auf sehr langen Berg-Wanderungen mithalten kann, mit Begeisterung trailt und sich gern von fremden Menschen streicheln lässt. Diese eierlegende Wollmilchsau ist dann aber eben nur noch dem Namen nach ein Deutscher Spitz.
Unser Deutscher Spitz unterscheidet sich in erster Linie von allen anderen Spitzen durch seinen fehlenden Jagdtrieb. Dieses Fehlen setzt sich aus diversen Komponenten zusammen, nämlich aus Mentalität und Körperbau. Der Deutsche Spitz ist also im optimalen Fall nicht nur nicht am Hetzen interessiert, er kann es auch nicht. Dafür sorgen der kurze Rücken, die gerade Rückenline, der steile Hinterhandwinkel und die kurzen Vorderläufe. Ein Zusammenspiel vieler Faktoren, von denen nicht einer irrelevant ist! Der Preis, den man für diesen nicht-jagenden Hund zahlen muss, ist seine fehlende Ausdauer, also seine Unsportlichkeit.
Wer dennoch einen Spitz haben möchte, mit dem er richtig Strecke mit dem Fahrrad machen kann: in der FCI-Gruppe 5 gibt es jede Menge andere Spitze, die sportlich sind. Zum Beispiel den Samojeden, den Lapphund oder auch den Akita. Es muss doch kein Deutscher Spitz sein! Ihn auf Basis einer persönlichen, zurechtgesponnenen Wunschvorstellung zu verbiegen und zu verzüchten, halte ich für reichlich bekloppt. Denn der ordentliche Deutsche Spitz war und ist ein astreiner Hofhund, ein ingrimmiger Wächter nach altem Schrot und Korn, der seinen Herren und dessen Besitz zur Not mit seinem Leben verteidigen würde - und kein flauschiges Glücksbärchi aus einer Kleinmädchen-Fantasie, der sich von jedem Menschen streicheln lässt, nie bellt, gern Käse aus Baumrinden puhlt und Ballspiele liebt.
Verwenden kann man unseren echten Spitz allen Unkenrufen zum Trotz übrigens auch heute noch, denn es gibt immer etwas zu bewachen. Die Zeiten werden ja nicht gerade behaglicher und daher kann man froh darüber sein, einen pflichtbewussten und nicht jagenden Wächter an seiner Seite zu haben. Auch wenn der dann eben keine 10 Kilometer im lockeren Trab am Rad laufen möchte. 😉
DEUTSCHER GROßSPITZ | AMERICAN ESKIMO DOG | |
Fremdrassen | --- |
Samojede, Japanspitz, Volpino Italiano und Dansk Spitz eingekreuzt |
Kopf | fuchsartig und dreieckig, mit leichtem Backenansatz | breit, leicht gekrönt, weich keilförmig |
Augen | mittelgroß, länglich und etwas schräg angesetzt (mandelförmig) | nicht ganz rund, leicht oval und weit auseinanderstehend |
Ohren | dreieckig, möglichst klein und nahe beieinander hoch angesetzt | weit auseinanderstehend |
Schnauze |
nicht zu lang und nicht zu kurz, stets im Verhältnis zum Oberkopf (2:3), nicht stumpf | breit, proportional zum Schädel eher mittellang |
Hals |
mittellang bis kurz | mittellang |
Brust |
tief und breit | tief und breit |
Pfoten |
so klein wie möglich, rundlich, zugespitzt, mit gewölbten Zehen (Katzenpfoten), Sohlenfarbe entspricht der der Nase | kompakt, oval und gut behaart, dunkle Ballen und weiße Krallen, die Zehen sind eng beieinander |
Hinterhand | nur mäßig gewinkelt | gut gewinkelt (30° zur Horizontalen) |
Kruppe | gerade bis leicht überbaut | leicht abfallend (Widerrist ist höchster Punkt der Oberlinie) |
Farbe | alle möglichen | nur weiß, cremeweiß |
Körper | quadratisch (1:1) | kompakt, aber nicht gedrungen (1,1:1) |
Bewegungsdrang | braucht mäßig Bewegung | braucht viel Bewegung (wird sonst destruktiv) |
Gang | schränkt (Double Track) bei höherem Tempo | schnürt (Single Track) bei höherem Tempo |
Gangwerk | Bei gutem Schub gerade, flüssig und federnd. Galoppiert bei höheren Tempo eher, als dass er trabt | Trabrasse. Schnell, effizient, ausdauernd und kräftig. Gute Reichweite in der Vorderhand, gepaart mit einem starken Hinterhand-Schub beim Trab |
Jagdtrieb | kein Jagdtrieb | Mitunter Beutetrieb [1] kleineren Tieren gegenüber (die AED wurden u.a. zur Eichhörnchenjagd [5] eingesetzt) |
Haltung mit anderen Haustieren | unproblematisch | aufgrund des Beutetriebes schwierig, insbesondere wenn die anderen Haustiere kleiner sind |
Charakter | aufmerksam, lebhaft und außergewöhnlich anhänglich gegenüber seinem Besitzer, intelligent, natürliches Misstrauen Fremden gegenüber | aufmerksam, freundlich, anhänglich, intelligent, mitteilungsbedürftig, hohes Energielevel |
[1]: www.orvis.com/american-eskimo-dog.html
[2]: AED Report
[3]: www.ukcdogs.com/american-eskimo
www.images.akc.org/pdf/breeds/standards/AmericanEskimoDog.pdf
www.caninechronicle.com/current-articles/breed-priorities-the-american-eskimo-dog/
[4]: www.naeda.org/2020/01/11/eskie-essence-and-instincts/
[5]: "The complete American Eskimo", Barbara Beynon, Howell Book House New York, ISBN: 0-87605-013-5, Seite 83
[6]: www.vgl.ucdavis.edu/sites/g/files/dgvnsk8836/files/media/documents/AED_May_2021_Report.pdf - Seite 13
[7]: www.images.akc.org/pdf/breeds/standards/Samoyed.pdf
www.baxterboo.com/fun/a.cfm/meet-german-shepherd-dog/
[8]: "Der Deutsche Spitz in Wort und Bild", Seite 65
[9]: Mit freundlicher Genehmigung von ©www.sanjavonderhausbergkante.de
[10]: www.ukcdogs.com/american-eskimo, siehe "Body"
"Der Schäferhund in Wort und Bild", Rittmeister von Stephanitz, 1921
"Die deutschen Hunde" Teil I & II, Richard Strebel, 1904
"Der Deutsche Spitz in Wort und Bild", Fachschaft für Deutsche Spitze, 3. Auflage 1937
Stand: 07.02.2022
Bettina Münter (Dienstag, 08 Februar 2022 13:22)
Ich finde es sehr gut, das sich mit dem Thema auseinander gesetzt wird. Es muss doch beim Großspitz nicht der gleiche Fehler gemacht werden wie bei vielen anderen Rassen.