INHALTSVERZEICHNIS:
Vorwort
Der Jagdtrieb des Deutschen Spitzes ist unter Liebhabern und Züchtern ein gern diskutiertes und äußerst kontroverses Thema. So meinen die einen, dass es schon immer auch jagende Spitze gab und der vielgepriesene wildreine Spitze eher in den Bereich der Sagen einzuordnen sei. Andere hingegen konstatieren, dass Spitze niemals gewildert haben, weil auf dieses Merkmal in der Zucht seit jeher sehr viel Wert gelegt wurde, wobei hier natürlich die eine oder andere Ausnahme die Regel bestätigt. Auch in den Büchern finden sich Quellen, die davon sprechen, dass der Spitz ein Wilderer sei, so zum Beispiel in Ludwig Beckmanns "Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes": "Es ist noch zu bemerken, dass der Spitz in jagdlicher Hinsicht nicht zu unterschätzen ist. Die meisten in Feld und Wald auf eigene Rechnung jagenden Köter sind Spitze oder Blendlinge von diesen. [...]" Wie verhält es sich nun mit seinem Jagdtrieb? Jagt er oder jagt er nicht?
Mir liegen inzwischen Quellen vor, die eindeutig aufzeigen, dass der Spitz kein Jäger ist - kein Jäger sein kann - denn Wolfsspitze und schwarze Großspitze wurden von verschiedenen Jagdverbänden selbst gezüchtet. Wenn also die Jagdverbände den Spitz vereinsmäßig züchten, dann ist das für mich Beweis genug, dass der ordentlich ge- und erzogene, reinrassige Spitz nicht wildert und nie gewildert hat.
Bedanken möchte ich mich sehr herzlich bei Britta Schweikl, die mir diverse Quellen zu dem Themenkomplex aus ihren eigenen Archiven zur Verfügung gestellt und mir damit sehr geholfen hat, etwas Licht ins Dunkel dieses Themas zu bringen!
Der alte, große Spitz war immer ein Hofhund erster Güte, der den Hof nur selten verließ und nur wenig Interesse an Fährten und Wild hegte. Zudem ist der Großspitz groß genug, um auch als Wachhund zu imponieren, wobei er viel wachsamer ist als die meisten anderen Rassen und sollte es nötig sein, dann packt der Spitz auch zu. Dies führt alle Sprüche á la "Hunde, die bellen, beißen nicht" ad absurdum: Der Spitz bellt und beißt sehr wohl, wenn es denn nicht anders geht. Dennoch muss hier betont werden, dass der Spitz kein aggressiver Hund ist. Wer früher ruhig seines Weges ging, vorbei an den Misthaufen, auf denen der Hofhund stets Ausschau hielt, den ließ der Spitz unbehelligt. Wer hingegen stehen blieb oder sich auffällig benahm, der musste damit rechnen, angegriffen zu werden. Auch der alte Fuhrwerksspitz musste ein absolut zuverlässiger Begleiter sein, der Hab und Gut auf dem Wagen bewachte und sich nicht um das Wild kümmerte, das links und rechts des Weges stand. Für diese Wachhunde durfte es kein "Jiff" und "Jaff" geben, denn ihr Bereich war der Wagen mit seiner kostbaren Fracht.
Der Deutsche Großspitz bzw. Deutsche Wolfsspitz ist ein von Natur aus sehr harter, scharfer und aufmerksamer Wachhund, der sich von niemandem so leicht imponieren lässt. Er ist ein treuer Gefährte, der gegen Schmeicheleien resistent und dabei immer irgendwie "auf Draht" ist. Faules Herumhängen kennt er nicht, denn das Wachen ist seine Lebensaufgabe. Der Spitz ist robust gegenüber jeder Witterung und anspruchslos in der Haltung. Dies alles hat ihm in den vergangenen Jahrhunderten seinen Platz und seine Aufgabenbereiche beim Menschen zugesichert. Daher lag es nahe, ihn wieder aus der Versenkung zu holen und der Bauernschaft zu raten, sich seiner anzunehmen.
Die Eignung des Deutschen Spitzes als Wach- und Nutzhund ist also seit Jahrhunderten unbestritten, denn der Spitz ist ein Wächter, wie man sich ihn nur wünschen kann, auch weil er nicht zum Jagen und Wildern neigt. So hat er einerseits kein Interesse an der Jagd selbst. Zudem erschwert ihm sein ganzer Körperbau das Hetzen, denn aufgrund seiner quadratischen Figur und durch die steil gewinkelte Vorder- und Hinterhand ist sein Laufvermögen, was längere Strecken anbelangt, geringer als bei anderen Rassen. Durch seinen kurzen Rücken fehlt ihm die Biegsamkeit in den Lenden, ferner kann die fest auf dem Rücken aufliegende Rute nicht zur Steuerung des Körpers eingesetzt werden. Daher lässt ein zum Jagen verleiteter Spitz recht schnell vom Hetzen ab, da er schlicht nicht lange folgen kann. Hier zeigt sich, dass der kurze Rücken, auf den in den alten Standards immer extrem viel Wert gelegt wurde, nicht nur eine Spielerei rein optischer Natur war, sondern das Paket "Wachhund" vollendet. Der kurze Rücken hindert den Spitz nämlich effektiv am Jagen und gehört daher auch aus praktischen Gründen zum Spitz.
Allerdings befähigt der kurze Rücken den Spitz aber auch erst zu jener erstaunlichen Flinkheit und Wendigkeit, die es im ermöglichte, blitzschnell und Haken schlagend zwischen den Weinreben zu verschwinden und so potenziell wehrhaften Naschern zu entkommen.
Das Vertreiben von Füchsen, wie auch von Vögeln und Mardern ist übrigens kein Jagen, es ist ein "Verjagen". Zu den Aufgaben des Spitzes auf einem Bauernhof gehörte nämlich auch das Schützen der Nutzpflanzen vor Wildfraß, sowie das Beschützen der Haustiere vor Raubwild und Raubvögeln und auch das Verjagen von Krähenvögeln aus den Feldern. Dieses Verhalten nennt man "Raubzeugschärfe". Daher liegt es dem Spitz im Blut, Schädlinge bzw. Raubzeug zu vertreiben. Raubzeug ist übrigens nicht mit der Bezeichnung "Raubwild" zu verwechseln. Raubzeug umfasst alle Tierarten, die dem Nutzwild oder den Nutztieren gefährlich werden konnten, sowie Tiere, die sich an den Nutzpflanzen des Menschen vergreifen. Das sind zum Beispiel Ratten (Wanderratte), Mäuse, Greif- und Rabenvögel (Rabenkrähen, Elstern oder Eichelhäher) und Füchse, aber auch eingeschleppte Arten wie Waschbären oder Marder.
Exkurs: Die Raubzeugschärfe
Die Raubzeugschärfe soll beim Hund in erster Linie in einem ausgesprochenen Hasse gegen alles Raubzeug bestehen. Dieser Hass bildet die Triebfeder zur ausdauernden Verfolgung eines Räubers und drängt den Hund dahin, das fragliche Raubwild unter allen Umständen in seinen Besitz zu bekommen. Bis auf Ratten und Mäuse wird einmal erlegtes Raubzeug jedoch nicht gefressen." (aus "Der Gebrauchshund, seine Erziehung und Dressur" von Hegendorf)
Die Ausbildung dieser Raubzeugschärfe hat einen immensen Einfluss auf das Temperament des Hundes, das heißt, ein ausgesprochen scharfer Hund ist auch ein ausgesprochen temperamentvoller Hund. Der junge Hund, der später einmal ein scharfer Hund zu werden verspricht, zeigt diese Anlage schon in seiner Jugend. Er ist aufgeweckt, beweglich, frech und misstrauisch gegen Fremde, benimmt sich mitunter ganz rabiat gegen streunende Katzen, Krähen etc. und verbellt oder verfolgt sie. Auch Mäuse, Ratten und Rabenvögel sind vor ihm schon in frühester Jugend nicht sicher. Die Raubzeugschärfe dient vor allem dem Schutz des Wildnachwuchses bzw. der Jungtiere vor Raubwild, sowie Schutz der Haustiere und Schutz der Nutzpflanzen vor Wildfraß.
Was hier auffällt: Die Raubzeugschärfe charakterisiert den Spitz geradezu. Sehen wir sie uns nochmal an: "Er ist aufgeweckt, beweglich, frech und misstrauisch gegen Fremde, benimmt sich mitunter ganz rabiat gegen streunende Katzen, Krähen etc. und verbellt oder verfolgt sie. Auch Mäuse, Ratten und Rabenvögel sind vor ihm schon in frühester Jugend nicht sicher."
Vergleichen wir sie mit dem Rassestandard des Vereins für Deutsche Spitze: Der Deutsche Spitz ist stets aufmerksam, lebhaft und außergewöhnlich anhänglich gegenüber seinem Besitzer. [...] Sein natürliches Misstrauen Fremden gegenüber und sein fehlender Jagdtrieb prädestinieren ihn zum idealen Begleit- und Familienhund und zum Wächter für Haus und Hof [..]." Demzufolge scheint die Raubzeugschärfe DIE maßgebliche Neigung des Spitzes zu sein, die ihn erst zum Spitz macht, die sein Wesen gestaltet und durch die er seine ihm anvertrauten Aufgaben überhaupt erst erfüllen konnte, die da wären:
Die Raubzeugschärfe ist keinesfalls dem Jagdtrieb zuzuordnen, denn Hass ist keine Triebfeder beim Jagen oder Wildern. Ganz im Gegensatz dazu ist die Raubzeugschärfe hochgradig von Aggression geprägt und führt dazu, dass Nahrungskonkurrenten vertrieben oder sogar getötet, jedoch keinesfalls gefressen werden. Die Ausnahme bilden hier Mäuse.
Die Deutschen Spitze waren durch den Siegeszug des erst um die Jahrhundertwende neu geschaffenen Deutschen Schäferhundes fast völlig von den Bauernhöfen verschwunden. Der Deutsche Schäferhund wurde von Rittmeister von Stephanitz gezüchtet, der in den alten Schäferhund-Landschlag reinblütige Wölfe* einkreuzte. Das Ahnenerbe der Wölfe war noch lange feststellbar, weil es die Schäferhunde zum verstärkten Wildern verleitete. Die Bauern fanden erstmal durchaus Gefallen an den großen, eleganten und scharfen Hunden, die auch tolle charakterliche Eigenschaften mitbrachten. Leider wurde von ihnen eine Vermischung ihrer Hunde mit den alten Hof- und Hütespitzen nicht unterbunden und so wurde nach und nach das Blut des alten Bauernhundes durch das neue Schäferhund-Blut verdrängt. Diesen Schäferhundmischlingen fehlten die guten Eigenschaften des Hofhundes gänzlich. Sie waren nur selten haus- und hoftreu und wilderten wie die Teufel. Die Folge war ein andauernder Streit zwischen der Jägerschaft und der Landbevölkerung. Das Wild in den umliegenden Gebieten wurde durch die Hunde massiv geschädigt oder auch getötet. Viele dieser Hunde kamen an die Kette, andere wurden beim Wildern erschossen - eine Situation, die weder den Menschen noch den Hunden gefiel. Auch waren die wildernden Hunde insofern für ihre Familien eine Gefahr, als dass es mehrere Fälle gab, in denen sich die Hunde beim Jagen mit der Tollwut angesteckt haben und diese außerordentliche Gefahr mit auf den heimatlichen Hof brachten.
*Aussage von C.E. Gruenewald, der Rittmeister von Stephanitz wohl noch persönlich kannte. und daher wusste, wie die Deutschen Schäferhunde entstanden sind Er war Leiter der kynologischen AG und Vizepräsident des LJV. Seine Behauptung findet sich in "Oberhessische Zeitung" vom 02.12.1965. Dasselbe behauptete Oberförster Horst Denner in der Zeitschrift "Deutschen Jagdzeitung" vom 10.07.1966.
Schon in den 30er-Jahren erinnerte sich das Reichsjagdamt an den Wolfsspitz und empfahl über die entsprechenden Jagdgauämter seine Wiedereinführung als Haus- und Hofhund. Den Jagdgauämtern wurden vom Reichsjagdamt sehr ansehnliche Zuschüsse bezahlt, um geeignete Zuchttiere anschaffen zu können, und so kam es, dass der Wolfsspitz in einzelnen Landesverbänden des Deutschen Jagdschutzverbandes gezüchtet wurde. Immer dort, wo ein wildernder Hund getötet wurde, sorgte man so dafür, dass der Besitzer billig einen Wolfsspitz bekam.
Man hatte übrigens schon Pläne, eine "Zentralstelle für Spitzhundezucht" aufzubauen. Leider machte der Krieg diese Pläne zunichte, aber dennoch begannen einzelne Jagdverbände in den 40er-Jahren mit der planmäßigen Wolfsspitzzucht. Darüber geben die Zwingernamen der damals eingetragenen Welpen Auskunft, Zwingernamen wie "vom Jagdkreis Rosenheim", "vom Jagdgau Baden" usw. Auch weisen alte Zwingernamen, die auf "-hof" enden, darauf hin, dass hier hauptsächlich von Landwirten und Jagdverbänden gezüchtet wurde.
Leider geriet der Deutsche Wolfsspitz mit seinen tollen Eigenschaften bei den Jagdverbänden nach dem Krieg wieder in Vergessenheit, bis die Wilderei der Hofhunde solche Ausmaße annahm, dass man begann, nach Lösungen zu suchen. Übereinstimmend mit vielen Jägern und Förstern kam man schließlich in einigen Landesjagdverbänden zu der Überzeugung, dass die ansässigen Bauern dem guten, alten Deutschen Spitz wieder seinen angestammten Platz als Haus- und Hofhund einräumen sollte. So griff auch der Jagdverband Schleswig-Holstein 1957 den Gedanken an eine planmäßige Wolfsspitzzucht wieder auf und gründete den Zwinger "vom Wolmershof". Viele Jagdverbände folgten diesem Beispiel und gaben ihre Welpen bevorzugt an Aussiedlerhöfe und an waldnahe Gehöfte ab. Obwohl die Bauern dem Wolfsspitz zunächst skeptisch gegenüberstanden, setzte alsbald eine Mund-zu-Mund-Propaganda ein, die von ihm als "einen sagenhaften Hund" sprachen, der "nicht wilderte und nicht an die Kette musste, weil nicht vom Hof ging und Fremden gegenüber sehr misstrauisch und wachsam war, und scharf hinter Ratten und Mäusen her war". So kam es durch diese Flüsterpropaganda schließlich zu ersten Vorbestellungen von Welpen seitens der Bauernschaft.
Ab Oktober 1961 startete auch der hessische Landesjagdverband seine "Wolfsspitzaktion". Im Revierförster Horst Denner aus Waldeck wurde ein Mann gefunden, der sich der Sache gewissenhaft annahm. Er war derjenige, der dem Bürgermeister einer kleinen, waldreichen Gemeinde am Edersee eine vorzügliche Wolfsspitzhündin besorgte, nämlich "Bora vom Christelhof": "Kaum war dieser reizende Welpe eingetroffen, fanden sich neue Liebhaber bei anderen Landwirten, zumal "Bora" die Eigenschaften ihrer Rasse besonders vorbildlich demonstrierte. So ging sie z. B. in ihren ersten Lebensmonaten selbst mit ihrem Herren nicht vom Hof, sondern begleitete ihn bis zum Tor und, um dann wieder ihren Platz vorm aus unter den alten Lindenbäumen einzunehmen. Misstrauisch gegenüber Fremden kannte sie doch jeden Pensionsgast, der einmal im Hause geschlafen hatte. Ställe und Scheunen hielt sie in unermüdlichem Eifern von jeglichem Ungeziefer frei, und so war sie nicht nur ein liebes, sondern auch ein nützliches Mitglied der Familie."
Anlässlich einer Tagung der hessischen jagdkynologischen Arbeitsgemeinschaft wurden Denners Erfahrungsberichte über die Wolfsspitze mit großem Interesse aufgenommen und es wurde in der Folge beschlossen, ab jetzt eine eigene "Wolfsspitzaktion" durchzuführen. Sinn und Zweck dieser Aktion waren das Ersetzen wildernder Hunde in den ländlichen Gemeinden durch den großen Spitz. Unter dem Zwingernamen "Hessen" züchtete der Landesjagdverband Hessen nun auch selbst Wolfsspitze. Interessierte Landwirte konnten dort einen Welpen für einen Unkostenbeitrag von 50,- DM erwerben (der normale Welpenpreis lag damals bei 150,- DM). Planung und Überwachung der Zucht blieben hierbei in den Händen des Landesjagdverbandes. Dieser hielt auch selbst Zuchtschauen ab, um die Hunde ab einem Alter von neun Monaten ankören zu lassen. Auch die Eintragung der Welpen ins Register des Vereins für Deutsche Spitze nahm der Verband höchstselbst vor, da man die Erfahrung gemacht hatte, dass nur reingezüchtete Hunde die Gewähr boten, die gewünschte Hoftreue und Wildreinheit aufzuweisen. Um die Zucht überhaupt durchführen zu können, musste der LJV Mitglied im Verein für Deutsche Spitze werden und sich dessen Zuchtvorschriften fügen.
Zu Beginn verzichtete der LJV Hessen bewusst darauf, mit seiner Aktion an die Öffentlichkeit oder an die Presse zu gehen, da man mit Recht befürchtete, dass dann eine derart große Nachfrage nach Wolfsspitzen einsetzen würde, die man gar nicht hätte befriedigen können. Dies hätte die Aktion vermutlich gefährdet oder wäre ihr zumindest nicht förderlich gewesen. So wurde denn in aller Stille auf die Errichtung neuer Zuchtstätten hingearbeitet, um zu einem späteren Zeitpunkt über genügend Junghunde zu verfügen. Zur besseren Übersicht und zur strafferen Überwachung wurden für die einzelnen Zuchtstätten verantwortliche Zuchtstättenleiter ernannt. Dies waren entweder selbst Wolfsspitzbesitzer vom Lande oder aber Jäger, welche an der Zucht und der Aktion ebenfalls ein sehr großes Interesse hatten und die den liebenswerten Wolfsspitz schnell in ihr Herz schlossen. Die Zuchtstättenleiter überwachten auch die sachgemäße Aufzucht der Welpen, sowie die Haltung und Pflege der Spitze und achteten ebenso darauf, dass bei etwaigen Fehltritten mit fremdrassigen Rüden Welpen aus solchen Verbindungen getötet wurden. Sie waren somit wichtige Träger der "Wolfsspitzaktion".
Die Planung der gesamten Zucht hatte einen besonderen Schwerpunkt darauf gesetzt, beim Ankauf der Zuchttiere möglichst blutsfremde Rüden und Hündinnen in die einzelnen Zuchtstätten zu bekommen, um nicht eines Tages durch eine zu schmale Zuchtbasis am Ende aller Bemühungen zu stehen. Dies war nicht immer leicht, da der Spitz schon in den 1960er Jahren nicht mehr allzu oft vorkam. Die Hunde wurden unter anderem auf Ausstellungen und aus dem Ausland dazugekauft. Der LJV Hessen nahm auch Kontakt auf zum Vorstand des Österreichischen Klubs für Spitze und Spitzarten, Dr. Gottlieb, da der österreichische Verein zeitgleich eine "Wolfsspitzaktion" durchführte. Unter anderem war der Austausch von Welpen vorgesehen.
Stark beteiligt an der Abgabe von Spitzwelpen an Aussiedler- und Bauernhöfe waren damals auch die zuständigen Kreisbauämter. Obwohl selbst keine Jäger, erkannten sie doch die Notwendigkeit der Aktion und setzten sich direkt dafür ein, dass auf passende Höfe nicht-wildernde Hunde kamen.
Auf der Rassehundeschau in Frankfurt/Main 1963 wurden 11 Wolfsspitze aus dem Zwinger "Edersee" des Landesjagdverbandes Hessen zur Ankörung vorgeführt. Der Landesjagdverband führte sogar jährlich eigene Zuchtschauen durch, auf denen die Nachzucht beurteilt wurde. Hier wurden den Besitzern auch erst die Ahnentafeln ausgehändigt. Dies alles trug unwahrscheinlich zur Verbesserung der Rasse bei, denn zur Zucht kamen nur Wolfsspitze in Frage, die in Bezug auf Haustreue und Wachsamkeit die angestrebten Eigenschaften zeigten. Am 26.05.1963 fand in Goddelsheim eine Zuchtschau statt, bei der 20 Wolfsspitze und auch schwarze Großspitze zur Ankörung erschienen, die allesamt (bis auf einen, der Monorchid war) den Anforderungen entsprachen.
Die Richterberichte der Rundfahrtbewertung von 1960 (DDS 27, S. 25 ff.)
Bereits 1960 hatte der Landesjagdverband Schleswig-Holstein eine Rundfahrbewertung organisiert, bei der über drei Tage lang zwei Herren vom Verband durch das Land tourten und 24 Wolfsspitze bei ihren Haltern beurteilten. Diese Methode hatte den unschätzbaren Vorteil, dass man die Spitze in ihrer vertrauten Umgebung beobachten konnte und sich von ihrem Charakter, ihrer Wildreinheit und ihrer Wachsamkeit ein besseres Bild machen konnte, als dies im Ring möglich gewesen wäre. Die original Richterberichte finden sich auf den oberen drei Bildern.
1965 bestanden in 20 Kreisen des LJV Hessen bereits 36 Zuchtstätten mit insgesamt 106 Wolfs- und schwarzen Großspitzen. Man hatte also das Vertrauen in den Ruf der "nicht wildernden Wolfsspitze" auch in die Deutschen Großspitze gesetzt! So wurden in Österreich zur gleichen Zeit weiße Großspitze durch die Kärntner Jägerschaft an die Bauern verteilt. Ebenso wurde die Anschaffung eines weißen Großspitzes (nur diese Rasse) seitens der Jägerschaft mit 300 Schilling subventioniert. Auch die steierische Jägerschaft interessierte sich für diese Rasse und ein Herr Pichler - damals der größte Jagdbesitzer in Heiligenblut am Großglockner - kaufte insgesamt 20 weiße Großspitze auf, um sie an die Bauern seiner Umgebung zu verteilen. Niemals wurde eines der Tiere beim Wildern beobachtet.
1968 besuchte der Landesjagdverband Hessen erstmalig internationale Zuchtschauen, nachdem in den letzten Jahren immer nur an Zuchtschauen auf Kreisebene teilgenommen wurde. Man ging jetzt also mit seiner "Wolfsspitzaktion" an die Öffentlichkeit. Der vom Landesjagdverband Hessen ausgestellte schwarze Großspitz "Lauritz Hessen" konnte auf vier Ausstellungen viermal V1 erringen und erstmals wurde auf der letzten Zuchtschau in Wiesbaden eine Zuchtgruppe schwarzer Großspitze ausgestellt, die sich ebenfalls gut platzieren konnte. Diese Gruppe fand insofern großes Interesse bei den Besuchern und Ausstellern, weil hier ein Landesjagdverband als Züchter einer Nicht-Jagdhundrasse auftrat. War das für das Publikum zunächst befremdlich und unerklärlich, so fand die Aktion doch großen Beifall und Anerkennung, als erklärt wurde, warum die Jägerschaft an solchen Hunden interessiert ist und sie folglich auch selbst züchtet.
Insgesamt züchtete der Landesjagdverband Schleswig-Holstein zwischen 1957 und 1972 ganze 273 Welpen. Der Landesjagdverband Hessen konnte zwischen 1964 und 1973 insgesamt 209 Welpen eintragen lassen, man züchtete dort zudem 53 schwarze Großspitzwelpen zwischen 1965 und 1968.
1974 hatte die "Wolfsspitzaktion" leider zu große Dimensionen erreicht und wurde in der Folge zu teuer, sodass die Aktion für die Verbände nicht mehr tragbar war. Man überließ die Zucht der großen Spitze nun nach und nach Privatpersonen und sah sich nur mehr als Vermittler.
1962/63 wollte es der Landesjagdverband Schleswig-Holstein genau wissen und vermittelte elf Wolfsspitzwelpen an verschiedene Bauernhöfe, um sich nach gewissen Zeiträumen das Jagdverhalten der Tiere anzuschauen. Das Resümee lautete schließlich: "Der Wolfsspitz besitzt eine ausgezeichnete Anlage, als hof- und familientreuer, frei laufender Wachhund erzogen zu werden. Es ist aber nicht, dass er ein 100%iges Allheilmittel ist, um das man sich nicht zu kümmern brauchte.... Der Wolfsspitzhalter muss Interesse an dem Hund haben! Er muss sich die Mühe machen mit ihm Kontakt zu pflegen, muss ihm Familienanschluss geben. Überlässt man einen Wolfsspitz sich selbst, so neigt auch er zu unkontrollierten Spaziergängen."
Wirklich garantieren, dass ein Wolfsspitz nicht jagt, kann man also nicht, denn es gibt ja immer die berühmten Ausnahmen von der Regel. Bei manchen Deutschen Spitzen ist der Jagdtrieb stärker vorhanden als bei anderen, normalerweise jedoch interessiert sich der gewöhnliche Spitz kaum für Fährten, er läuft flüchtenden Tieren maximal kurz hinterher und kommt dann ohne Diskussion zurück. Erfolgserlebnisse beim Hetzen können allerdings auch den harmlosesten Spitz stark motivieren, so dass er es wieder versuchen wird - einfach weil er auf den Geschmack gekommen ist. Ebenso kann falsche Erziehung oder falsche Gesellschaft (durch zum Beispiel einen Jagdhundkumpel) einen Spitz zum Wilderer machen, denn natürlich kann sich ein Spitz den Jagdspaß von anderen Hunden abschauen. Daher sollte man ihm schon als Welpen klarmachen, dass das Jagen ebenso verboten ist, wie das Scheuchen von Vögeln oder das Verfolgen von Katzen.
Heutzutage ist die vielzitierte "Wildreinheit" in der aktuellen Zucht leider kein Selektionsmerkmal mehr. Weil viele Spitze ihr Leben lang in umzäunten Grundstücken leben und Wild und Geflügel höchstens aus dem Zoo kennen, kann niemand wirklich beurteilen, wie stark ihr Jagd- und Beutetrieb ist. Nicht sehr unwahrscheinlich ist eine Anlage zum Jagen bei erwachsenen Spitzen, die auffällig gern apportieren, gern Gegenstände mit sich herumtragen und diese abschütteln oder wilde Verfolgungsjagden mit anderen Hunden veranstalten.
Doch trotz des Vorkommens dieser jagenden Spitzexemplare ist es eine Tatsache, dass der alte Spitz - der eigentlich Spitz - kein Wilderer war. Nicht nur, weil ihm das Interesse an der Jagd fehlte, sondern auch aufgrund Körperbaus, seines kurzen Rückens, der ihn zu einem denkbar schlechten Jäger gemacht hat. Deutlich zeigen diese Merkmale auf, dass erst die Symbiose von Exterieur und Interieur den Spitz zum Spitz macht, daher kann man in nicht einfach Merkmale als "weniger wichtig" einstufen und nachfolgend züchterisch nicht mehr fördern (wie zum Beispiel den kurzen Rücken) und meinen, dass das ohne Folgen bliebe für den Spitz als Rasse im ganzheitlichen Sinne.
Ebenso hätten sich die Jagdverbände seiner sicherlich nicht grundlos angenommen oder ihn sogar selbst gezüchtet - ganz im Vertrauen in seinen Ruf als "wildreinen" Hofhund - wenn der Wolfsspitz oder der schwarze Großspitz damals auch nur den Hauch eines Jagdtriebes gezeigt hätten. In den 50er bis 70er Jahren wurde der Spitz sogar in den Fachzeitschriften "Der Deutsche Jäger" und "Wild und Hund" damit beworben, dass er kein Interesse an der Jagd zeigt. In einem Standardwerk für Jäger ("Die Jägerprüfung") wird noch heute in den Kommentaren zum §25 des Jagdschutzgesetzes auf die Frage "Welche Hunderasse ist für das Land als Wachhund empfehlenswert?" die Antwort gegeben: "Der Deutsche Spitz oder der Wolfsspitz. Sie wildern nicht."
Daher lautet die Antwort auf die Frage, ob der Spitz denn ein Jäger ist oder nicht, ganz unumwunden "nein". Der Spitz wildert nicht!
"Der Deutsche Spitz" Nr. 4 (1953), Nr. 27 (1960), Nr. 28 (1961), Nr. 42 (1965), Nr. 47 (1967), Nr. 49 (1968), "Der Deutsche Spitz in Wort und Bild" (1937), "Dillzeitung" (26.07.1963), "Der Hessenbauer" (10.04.1965), "Deutsche Jagdzeitung" (10.07.1966), "Oberhessische Zeitung" (02.12.1965), "Tierfreund" (09.09.1965), "Amtliches Nachrichtenblatt des Deutschen Tierschutzbundes" (Dezember 1966), Ludwig Beckmann "Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes" (1895) sowie diverse Korrespondenz des Landesjagdverbandes Hessen
Stand: 29.08.2021