Wie, der Spitz jetzt auch noch Hirtenhund? Also entweder hat die Autorin zu häufig den Münchhausen gelesen oder aber der Deutsche Spitz ist sowas wie die eierlegende Wollmilchsau, quasi der Wollmilchhund.
Gehen wir in der Geschichte zurück, stellen wir schnell fest, dass die Menschen früher nur einen Hund für mehrere Aufgabenbereiche nutzten. Mehr als einen Hund konnten sich die meisten Menschen nämlich nicht leisten. Und dieser Hund musste nicht nur das Hab und Gut seiner Besitzer beschützen, Ratten und Mäuse vernichten und ein Auge auf die Kinder haben, sondern auch noch das Vieh hüten und ggf. auch verteidigen. Dafür war der Spitz natürlich prädestiniert, denn er kann im Prinzip alles - außer fliegen, pfeifen und mit Messer und Gabel essen. 😜
Der Spitz, als alter Landschlag und Hund des einfachen Volkes, war nämlich seit jeher ein wetterfester, sehr genügsamer und dabei doch kluger und leicht zu erziehender Allrounder:
„Wenn der Bauer so viel Zeit und Müh’ an die Erziehung wenden müsste, wie es die neuzeitlichen Dressurbücher vorschreiben, dann wäre ihm der Hund keine Hilfe, sondern eine neue Last.“ [1]
Nicht ohne Grund stellen auch heutzutage immer wieder Bauern fest, dass ein Wolfsspitz gleich mehrere Hunde ersetzt. Es wurden nämlich erst im Laufe der Zeit Hunde für die unterschiedlichsten Aufgabengebiete gezüchtet - die Spezialisten entstanden. Diese Spezialisierung bzw. Differenzierung in bestimmte Aufgaben fand allerdings erst relativ spät statt und war typischerweise dem reichen Bürgertum und Adel Englands vorbehalten. Aus diesem Grund gibt es kaum schriftliche Überlieferungen und Bilddokumente über die alten Bauernhunde. Wer zeichnet schon den Bauern mit seinem Hund? Der Künstler, der von seiner Arbeit leben musste, sicherlich nicht.
Die Überschrift "Der Deutsche Spitz als Hirtenhund" ist zugegebenermaßen eher umgangssprachlich. Ich habe sie ausgewählt, weil sie für den Laien leichter verständlich ist, als die korrekte Bezeichnung seiner Tätigkeit. Diese lautet nämlich "Treibhund" - denn zwischen einem Hund, der Schafe hütet und einem Hund, der das Vieh treibt, besteht ein beträchtlicher Unterschied.
Es gibt im Prinzip zwei Arten von Hunden, die zur Arbeit an den Viehherden eingesetzt werden: Die eine Art hat vor allem den Auftrag, die Herden zu schützen und Raubtiere zu vertreiben, man kennt sie heute unter dem Namen "Herdenschutzhunde".
Die andere Art dient der Unterstützung des Hirten und teilt sich wiederum in drei Unterarten auf: Die Unterart der "Schäferhunde" umkreist die Tiere und fungiert im Prinzip als lebendiger Zaun, die Unterart der "Treibhunde" treibt die Tiere von hinten von Ort A nach Ort B, während die "Koppelgebrauchshunde" einzelne Tiere oder auch die gesamte Herde einsammelt und zum Hirten bringt.
Auch wenn man bei dem Begriff "Schäferhund" zuerst an den Deutschen Schäferhund als Rasse denkt, ist dieser eigentlich ein Oberbegriff für die Arbeit, die dieser Hirtenhundschlag genau macht. Der Schäferhund wird auch "Furchenläufer" genannt, dabei ziehen die Hunde eine unsichtbare Grenze ("Furche") zwischen Weide und benachbarten Grund, um beispielsweise zu verhindern, dass die Herde die Frucht auf dem benachbarten Grundstück zerstört. Der Schäferhund fungiert im Prinzip als lebendiger Zaun und hält die Tiere zusammen. Wenn der Hirte weiterziehen möchte, dann ruft er eines der Leitschafe der Herde an und zieht weiter, während die Hunde weiter Weidegrenzen oder Übergänge sichern.
Die Arbeit der Schäferhunde beruht auf dem Territorialtrieb, bei der es eben darum geht, Grenzen zu wehren. Auch können sie ihre Herde auf Anweisung des Schäfers durchaus verteidigen. Oder gegebenenfalls auch den Schäfer, da der Beruf des Schäfers bis in die frühe Neuzeit zu den sogenannten "unehrlichen" Gewerben gehörte.
Ihre Hauptverwendung finden die Schäferhunde - wie der Name schon impliziert - an größeren, homogenen Schafherden. Sie helfen dem Schäfer dabei, diese zusammenzuhalten und sorgen dafür, dass keines der Tiere verloren geht. Man nennt sie auch "Herdengebrauchshunde".
Da die Schäferhunde unermüdlich an diesen "unsichtbaren" Grenzen auf und ab patrouillieren und dabei zwangsläufig große Wegstrecken zurücklegen, wurden die sie mit dem Ziel gezüchtet, eine hohe Ausdauer und dabei einen geringen Energieverbrauch zu haben. Als Schäferhunde werden eingesetzt: Deutscher Schäferhund (ostdeutsche Schläge, keine Showkrüppel) und Altdeutsche Hütehunde.
Während die Schäferhunde aus dem Territorialverhalten heraus arbeiten, ist der "Hütetrieb" der Koppelgebrauchshunde nichts anderes, als ein modifizierter Jagdtrieb. Während das „Packen und Töten“ der Beute aus der Jagdkaskade weggezüchtet wurde, zeichnet sich das Hüteverhalten vor allem durch das Einkreisen, Heranpirschen und Fixieren der Herde aus.
Ihre Arbeit besteht darin, das Vieh auf der Weide einzusammeln und auf eine frische Weide zu treiben. Auch sind sie wichtige Helfer bei der Pfercharbeit (z. B. bei der Klauenpflege oder der Schafschur). Koppelgebrauchshunde haben die Fähigkeit, Nutztiere auch auf weite Distanzen zu erspähen, diese zu umlaufen und dann selbständig oder unter gezielter Anleitung des Hirten zu ihm zu bringen. Sie arbeiten in der Regel lautlos und können sowohl Einzeltiere als auch Herden von mehreren hundert Tieren bewegen. Die meist kurzen Arbeitseinsätze mit präzisen Anweisungen durch den Tierhalter erfordern eine hohe Flexibilität und Führigkeit der Hunde, sodass sie auch auf Distanz fast wie Drohnen vom Schäfer lenkbar sind. Rassen, die klassisch als Koppelgebrauchshunde eingesetzt werden, sind zum Beispiel der Border Collie, der Australian Shepherd und der Working Kelpie.
Im Gegensatz zu den Schäferhunden und den Koppelgebrauchshunden haben die Treibhunde ein wesentlich stärkeres Durchsetzungsvermögen und auch einen äußerst knackigen Schutz- und Territorialtrieb, welcher beim Schäferhund weitaus weniger stark ausgeprägt ist.
Ihr Aufgabenbereich liegt im sprichwörtlichen „treiben“, aber auch im Schützen des Viehs, zumeist Rinder und Kühe. Diese sind um einiges selbstbewusster als Schafe und würden sich durch ausschließliches Anstarren - wie es der Border Collie einsetzt, um die Tiere zu bewegen - zu gar nichts bewegen lassen. Außer vielleicht dazu, vor Lachen die Wände hochzugehen. 😆 Daher wurden Treibhunde früher auch "Kuhhunde" genannt.
Beim Treiben bewegen sich die Hunde hinter oder an den Seiten der Herde, oft gehen sie auch in die Herde, sofern es nötig ist. Für die Arbeit als Treibhund braucht man daher kräftige, wendige, mutige und wehrhafte Hunde, die Druck ohne allzu großen Stress machen können, die den Tritten und Hornstößen der Tiere ausweichen können und diese mit Bellen oder gezielten Griffen in die Fesseln gezielt treiben können.
Die Veranlagung zum Treiben entspringt - im Gegensatz zum Hüten - nicht dem Jagdtrieb, sondern dem Territorialtrieb, welcher bei den derart veranlagten Hunden ebenso für eine hohe Wachsamkeit und eine gewisse "Reizempfindlichkeit" sorgt. Auch sind Treibhunde relativ eigenständige Hunde, Kadavergehorsam sucht man bei ihnen vergeblich. Treibhunde sind daher in der Regel nur mäßig genau lenkbar.
Die Arbeit des Treibhundes ist körperlich wesentlich entspannter als die des Schäferhundes: In voller Ruhe liegt oder steht er in Herdennähe herum, bis ihn schließlich der Ruf oder Wink des Hirten (oder auch die eigene Initiative) veranlasst, ein Tier zu treiben, um nach getaner Arbeit wieder zu relaxen. Dies zeigt sich auch im vom Schäferhund verschiedenen Körperbau des Treibhundes, da dieser weitaus stämmiger und gedrungener ist. Klassische Treibhunderassen sind: Australian Cattle Dog, Harzer Fuchs und Westerwälder Kuhhund. Und - wenn auch vergessen - der Deutsche Spitz.
Wir wissen jetzt, dass für die verschiedenen Arbeitseinsätze am Vieh unterschiedliche Hunderassen gezüchtet worden sind: Diejenigen, die auf das Hüten spezialisiert sind und diejenigen, die sich besser auf das Treiben des Viehs verstehen. Daneben gibt es auch deutsche Rassen, die vielseitig eingesetzt werden, indem sie die Herde gemeinsam mit dem Hirten bewegen, kontrollieren und auch schützen. Zu diesen Hunden passt eigentlich der Begriff „Herdengebrauchshund“ am allerbesten. Und so einer war und ist unser Deutscher Spitz:
"Man verwendete in einigen Gegenden Deutschlands dazu den Spitz, in Obersachsen den Pommer. [4] Sie regierten und schützten die Herde und hielten sie in Ordnung." [5]
Für diesen Herdendienst ist dem Spitz der sogenannte „Hackenbiss“ bereits angeboren, dieser erfolgt lautlos und tief ins trockene Bein (in die Fessel). Ein korrekt ausgeführter Hackenbiss ist vollkommen ungefährlich für das Tier, blutet nicht und tut auch nicht weh. Wichtig ist allerdings, dass der Biss des Hundes wirklich sitzen muss, einfach nur irgendwo reinbeißen geht nicht. Würde ein schlechter Treibhund beispielsweise am Oberschenkel des Rinds zupacken, könnten bei scharfem Biss blutige Wunden entstehen, bei zu laschem Biss Hämatome. Bei zu knappem Biss würde der Hund nur die Wolle bzw. das Fell zu fassen bekommen und es ausreißen. Das ist natürlich alles nicht zielführend.
In den Vereinsnachrichten des Vereins für Deutsche Spitze liest man in Heft Nummer 63 folgendes über die Eignung des Wolfsspitzes zum Treibhund:
„[...] Beispiele und Erprobungen haben die vorzügliche Eignung des Wolfsspitzes auch als Hütehund bewiesen. Mit erstaunlicher Sicherheit findet er verlorenes Vieh, treibt es auf den Melkplatz zusammen, besorgt die Einstellung, treibt auf der Straße. Dabei stößt er so viel wie möglich nur mit dem Fang an das Rind, ohne zu fassen. Der Wolfsspitz bringt es sogar so weit, dass er die ihm anvertraute Herde, auch ohne den Menschen, sicher zu bewachen, zu führen, auszutreiben und wieder heim zuleiten imstande ist. Heute ist unser "Grauer" nur noch ganz selten als Hüte- oder Hirtenhund eingesetzt. Es wäre wahrlich eine lobenswerte und dankbare Aufgabe, ihn in dieser Berufssparte wieder anzuerkennen.“ [6]
Wozu braucht der Spitz den Hackenbiss eigentlich? Schafherden lassen sich durchaus von ein bisschen Getöse beeindrucken und lenken, bei Rindern sieht das etwas anders aus. Die muss der Hund schon schärfer anfassen, denn eine Herde von 50 bis 100 Stück Vieh ist ganz und gar nicht leicht zu regieren.
Früher wurden scharf (blutig) beißenden Schäferhunden oft die Fangzähne abgefeilt, damit sie die Schafe nicht verletzen können. So ein Hund mit abgefeilten Zähnen könnte hingegen bei einer Rinderherde absolut nichts ausrichten. Rinder sind nämlich oftmals ziemlich störrisch und so manches Tier verlangt tatsächlich verdammt viel Mut und Kraft vom Hund ab, bis es sich bewegt. Ein altes Sprichwort lautet: "Hat eine Rinderherde keinen Respekt vor dem Hund, ist es mit dem Mittagsschläfchen des Hirten für immer vorbei."
Schweine sind ebenfalls recht störrisch und wehrhaft, diese packt der Hund im Gegensatz zum Rind jedoch nicht an der Fessel, sondern am Ohr, um die Schinken nicht zu verletzen. Das Packen der Ohren muss dem Hund allerdings beigebracht werden: Man führt den mit einem Maulkorb versehenen Hund an das Schwein heran. Der Hund geht das Schwein seitlich ab, ohne etwas greifen zu können, bis er an ein Ohr gelangt. Dieses passt durch die Zwischenräume des Drahtkorbes und kann nun vom Hund gepackt werden. [8]
Miley treibt einen dicken Puter: Die zur Zeit der Aufnahme der Fotos erst 6 Monate alte Mittelspitzhündin "Miley" bei ihrem ersten Treffen mit einem Puter, der Hunde zwar kennt, aber nicht ganz ohne ist. Miley wusste vom täglichen Ablauf her, dass der Puter in den Stall soll. Bild A: Miley ist noch unbeholfen, macht in ihrer Not eine Spielaufforderung. Der Puter droht ihr, sie hat jedoch keine Angst. Bild B: Miley dreht den Puter, indem sie ihn blockiert. Bild C: Der Puter weicht aus und zeigt deutlichen Unmut. Miley bleibt aber dran und wird dafür gelobt. Bild D: Der Puter läuft Richtung Stall und Miley bleibt ruhig hinter ihm. Sobald sie locker lässt, dreht er sich - sie allerdings gibt ihm diese Möglichkeit gar nicht. (Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung von Birgit Kaiser)
Betont werden muss an dieser Stelle mit Nachdruck, dass die Treibhunde das Vieh nicht zu ihrem persönlichen Vergnügen beißen, sondern um ihre Pflicht zu tun. Sonst leben sie mit ihrer Herde durchaus auf gutem Fuße. Häufig ist zu beobachten, dass zwischen Hund und Herde ein Freundschaftsverhältnis besteht, man leckt sich gegenseitig oder der Hund spielt mit den Jungtieren. Ist ein Tier erkrankt und kann der Herde nicht folgen, sorgt sich der Hund und verlässt das kranke Tier nicht. Er kennt jedes einzelne Tier seiner Herde.
Das Wichtigste zuerst: Der Herdengebrauchshund muss zur Verrichtung seines Dienstes fähig sein, ohne dass die Fertigkeiten angelernt werden müssen - sie müssen ihm unbedingt angeboren sein. Dies ist beim Spitz der Fall, denn er weiß sowohl Schafe als auch Rinder anzutreiben. Dabei scheint der Spitz den Unterschied zwischen zwischen beiden Tierarten zu kennen, denn er arbeitet mit zwei verschiedenen Methoden an ihnen: Bei den empfindlicheren Schafen pflegt er diese lediglich an der Wolle zu packen oder mit der Schulter anzurempeln, um die empfindliche Haut nicht zu verletzen. Was die Rinder anbelangt: hier liebt er den Konflikt mit dem Vieh und nutzt liebend gern den angeborenen Hackenbiss ebenso wie das Zickzacklaufen, wenn er dem Rind frontal gegenübersteht.
Sein Geruchssinn und sein Gehör sind sehr gut entwickelt, denn es kommt nicht selten vor, dass die Hunde die Herde selbständig auf die Weide und zurück treiben. Weiterhin habe ich mehrmals davon gelesen, dass Hirtenhunde deswegen Mandelaugen haben, weil sie damit besonders weit sehen können. So berichtet Ernst Floeßel:
"Erst kürzlich erzählte mir ein Stadtschäfer, dass er sich ein Haus gebaut hat und dabei die Handlangerarbeiten allein besorgte, während der Hund den ganzen Sommer hindurch die Herde selbständig gehütet hat. [...] Es kann dies nur ein Hirtenhund ausführen, der infolge seines mandelförmig geschlitzten Auges sehr weitsichtig ist und sich auf 600 bis 800 m noch mit seinem Herrn verständigen kann." [9]
Ein aktuelleres Beispiel beschreibt sehr anschaulich, dass der Deutsche Spitz das Vieh tatsächlich selbständig und ohne Unterstützung durch den Menschen zu treiben vermag: "Durch Bellen und Zwicken sorgt sie (die Wolfsspitzin, Anm. d. Autoren) dafür, dass die Kühe immer schön hintereinandergehen und nicht abschweifen. Sie kennt genau die Zeiten. Sie wird vom Haus losgeschickt, die Kühe zu holen, damit sie gemolken werden können. Während des Melkens bewacht sie sie und nach dem Melken geleitet sie sie wieder zur Weide." [10]
Weiterhin geht der Herdengebrauchshund auf Katzenpfoten und muss einen mittellangen Hals haben. Zu kurz darf der Hals deshalb nicht sein, weil der Hund beim Hackenbiss eine halbe Drehung mit diesem machen muss. Deshalb sind Hunde mit kurzem Hals schlechte Beißer. Das ist natürlich im Umgang mit störrischen, wehrhaften Rindern und Schweinen ein echtes Problem.
Weiße Spitze wurden durchweg als Hirtenhunde bevorzugt, weil man sie auch in der Dämmerung gut vom Wolf unterscheiden kann. Dennoch wurden auch alle anderen Farben für den Dienst an der Herde eingesetzt, wie auf den Gemälden von Wilhelm von Kobell und auf meinen historischen Fotos gut zu sehen ist.
Der dichte Kragen um den Hals, welchen wir beim Spitz vorfinden, ist quasi das Äquivalent zum Halsband mit nach außen gerichteten Stacheln, welches schon so manchem Herdenschutzhund als Schutz vor Bissen von Wölfen diente.
Was den Charakter des Herdengebrauchshundes anbelangt, ist es ganz wichtig, dass dieser keinen Jagdtrieb hat. Als schlechten Hund bezeichnete man nämlich seit jeher denjenigen, von dem der Hirte sagen musste: "Aus dem Rachen, nicht des Wolfes, sondern des Hundes errettet."
Damit die Hunde dennoch nicht auf den - im wahrsten Sinne des Wortes - Geschmack kamen beim Anblick des Viehs, wurden sie sehr reichlich gefüttert, erhielten dabei aber verhältnismäßig wenig Fleisch. Man ging früher davon aus, dass viel Fleisch die Hunde triebig macht. Auch auf die Fütterung von rohem Fleisch wurde aus besagten Gründen unbedingt verzichtet.
Ein altes Sprichwort lautet: "Wenn der Hund wacht, mag der Hirte schlafen; aber wenn die Hunde schlafen, hat der Wolf gut Schafe stehlen." Dementsprechend ist es für einen guten Hirtenhund sehr wichtig, dass er wirklich, wirklich wachsam ist. Quasi immer auf dem Posten, so wie eben der Spitz immer auf Draht ist. Weiterhin muss er kräftig, wendig, wehrhaft, mutig und selbständig sein, um dem Vieh zeigen zu können, wer Chef im Ring ist.
Die Recherche zum Ursprung des Spitzes und seiner verschiedenen Schläge ist schwierig, da man so gut wie gar nichts zum Thema findet und sich diese wenigen Quellen oftmals auch noch widersprechen. Mein aktueller Kenntnisstand lautet (unter Vorbehalt) wie folgt:
Lange Zeit hat man große Spitze und Schäferhunde nicht wirklich voneinander abgegrenzt, da die Übergänge zwischen den damaligen Landschlägen fließend waren. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die Bezeichnungen "Hütespitz" und "Schäferspitz". Auch mit dem alten Begriff "Wolfshund" (oder auch "Wolfhund") bezeichnete man früher sowohl Schäferhunde als auch Wolfsspitze.
Von allen Spitzformen ist der Wolfsspitz wohl die Grundform, der den Bauern sicherlich schon seit Jahrhunderten (oder Jahrtausenden) in seiner bekannten Form zur Hand ging. Wolfsspitze haben etwas Urwüchsiges, Achtunggebietendes und erinnern sowohl in Fellfarbe als auch in ihrer Schädelform weitaus mehr an die wilden Caniden, als die Groß-, Mittel- und Kleinspitze. Auch steht der Wolfsspitz dem Schäferhund verwandtschaftlich noch näher als die anderen Spitzvarietäten dem Schäferhund stehen:
"[...] während der eigentliche deutsche Schäferhund mehr dem großen Spitz ähnelt, mit seinem intelligenten Gesicht, das wie Wolf und Fuchs auf einem Bilde ausschaut." [12]
Und auch Kynophilos Actaenon sortiert in seinem 1781 erschienenen Buch "Ausführliche Geschichte der Hunde" die Spitze und die Schäferhunde zu einer Rasse zusammen: "Schäferhund, Spitz oder Hirtenhund als der Stammvater."
Die Schäferspitze bzw. Hütespitze der Vergangenheit wurden wie folgt beschrieben:
"Hunde mit langem Haar und abstehender Mähne am Hals, Kopf und Füße kurz behaart, Keulen und Ruten mit Fahnenhaar, letztere spitzartig geringelt über dem Rücken getragen, Farbe vorherrschend weiß, auch wolfsfarbig, fuchsfarbig; es ist die kleinste Spezies und unleugbar mit dem Spitz verwandt, weiße Farbe am häufigsten, Größe 50 - 60 cm." [13]
Eindeutig ein Spitz, der da beschrieben wird, jedoch größer als der klassische Spitz alter Zeit, welcher in der Regel eher so um die 40 - 45 cm groß war. Wilhelm von Kobells zahlreiche Darstellungen von Spitzen in Hütesituationen zeigen jedoch auch häufig Hunde, die maximal mittelgroß sind.
Dass der Deutsche Spitz tatsächlich allgemein bekannt war als Hüter der Herden, geht auch aus einem alten Text über Modehunderassen hervor, in dem beschrieben wird, wie der Spitz einst für kurze Zeit zum Schoßhund wurde: Die Gruppe der Löwenhündchen musste nämlich dem weißen Spitz als Modehund weichen, "der seine Würde als Schäferhund jedoch nicht aufgab, sondern sie im Gegenteil eher erhöht sah, seit man ihn zum Schoßhund emporgehoben hatte". [14] Nach kurzer Ruhmesphase wurde der Spitz vom Mops als Liebling der Damen abgelöst.
Spitze bilden in Nord- und Mitteleuropa die ursprüngliche Landrasse. Sie waren und sind die äußerst vielseitig einsetzbaren Hunde des Bauern und des kleinen Mannes, der sich eben nur einen Hund leisten konnte. Spannend ist, dass die Spitze zu den Stammformen unserer Hunderassen gehören, die da wären:
Aus diesen Stammformen setzen sich alle (!) anderen Hunderassen zusammen. Es ist allerdings unmöglich, aus diesen Mischlingsformen wieder die Stammformen in ihrer ganzen Vollkommenheit heraus zu züchten. Bestenfalls erzielt man oberflächliche Ähnlichkeiten.
Was kann man daraus ableiten? Das Kennzeichen des geschlossenen Charakters der Deutschen Spitze als Stammform beruht unbedingt auf dem Fernhalten jeder Kreuzung. Nur so bleibt der Spitz so vielseitig, zuverlässig und fleißig, wie man ihn seit jeher kennt und schätzt. Daher ist die gerade beim Spitz so häufig forcierte Einkreuzung von Fremdrassen so ungefähr das Dämlichste, was man machen kann, um ihn zu erhalten, denn gerade das Gegenteil ist der Fall.
Was aber immer gern gemacht wurde, ist aus der Stammform Spitz heraus neue Rassen zu züchten. Und weil der Spitz ja nun nicht nur ein sauguter Wachhund ist, sondern sich eben auch noch hervorragend auf den Umgang mit Viehherden versteht, wurde er zur Grundlage vieler Hirtenhunderassen, wie beispielsweise:
Spannend ist es, den Zirkelschluss von der Eignung des Deutschen Spitzes als Treibhund zu seiner Erziehbarkeit zu ziehen: In den meisten Rassenbeschreibungen, die man im Internet finden kann, wird der Spitz als leicht erziehbar und als absolut für Anfänger geeignet beschrieben. Ich habe mich ja bereits an mehreren Stellen darüber ausgelassen, wie falsch ich solche pauschalen Aussagen finde. Weil es einfach nicht stimmt - und weil nicht ohne Grund viele halbwüchsige Spitze im Tierheim landen.
Die Tatsache, dass die Spitze auch als zuverlässige Herdengebrauchshunde eingesetzt wurden, zeigt kristallklar auf, mit was für einem Hundecharakter wir es hier zu tun haben. Wir haben hier eine Rasse, die mit großem Mut mitten in eine Herde Rinder geht und diesen zeigt, wo der Frosch die Locken hat. Auch auf die Gefahr hin, einen Tritt von einem weniger kooperativen Rind zu kassieren. Dass sich nun ein Hund, der auch dann noch nachsetzen muss, wenn ihn das Rind nun tatsächlich getreten hat, nicht unbedingt von einem netten Menschen mit Leckerlibeutel beeindrucken lässt, müssen viele Halter eines solchen Spitzbuben früher oder später selbst erfahren. Der Deutsche Spitz kann also aus seiner Natur heraus gar kein leichtführiger Befehlsempfänger sein, sondern ist ein selbständiger, selbstbewusster und durchaus wehrhafter Geselle.
Auch braucht ein Hund eine extrem große Bindungsbereitschaft, um auch über weite Entfernungen auf seinen Menschen fixiert zu bleiben. Diese Bindungsbereitschaft zusammen mit einem großen Selbstbewusstsein ergibt erst die Befähigung zur selbständigen Arbeit, wie sie der Deutsche Spitz aufweist (auf diese Eigenschaften zu selektieren bzw. zu züchten ist übrigens nicht einfach). So ein Hund möchte natürlich auch von seinem Menschen ernst genommen werden, aber dennoch seinen artgerechten Platz in der Familie kennen.
Heutzutage haben die meisten Hundehalter jedoch in allererster Linie die Bedürfnisse ihres Tieres im Fokus. Schauen wir uns doch mal an, wie der Hirte sich seine Hunde erzieht:
Der Hirte benötigt vor allem einen Helfer, der generell in der Lage ist, Ruhe zu halten, auf Kommando jedoch hellwach und einsatzbereit ist. Er kann keinesfalls einen Hund gebrauchen, der durch ständiges Herumrennen das Vieh am Fressen hindert, der jedem Kaninchen hinterherjagt und infolgedessen durch Abwesenheit glänzt, oder Wanderer belästigt, die an der Herde vorbeikommen.
Aus diesem Grund wird mit dem jungen Hund im ersten Lebensjahr oft konsequent gar nichts getan. Das einzige, was der Jungspund macht, ist dem Hirten und den anderen Hunden bei der Arbeit zuzusehen. Dabei lernt er vor allem, gelassen auf Außenreize zu reagieren und diese differenzieren zu können.
Und was macht der Laie? Rennt mit seinem jungen Spitz in die Welpenschule, wo dieser Halligallidrecksauparty lernt oder er fördert den Spieltrieb des Junghundes unter Zuhilfenahme von Bällen, Tauen und anderen Wurfgegenständen - denn das gemeinsame Spiel ist ja ach so wichtig. Das einzige, was hier jedoch gefördert wird, ist das Beutefangverhalten (ja, auch beim Spitz). Mit dem Ergebnis, dass der Spitz unter Umständen irgendwann auf jede Bewegung reagiert, egal ob vorbeifahrendes Auto, Radfahrer, Katze oder rennendes Kind. Häufig mit dramatischen Folgen für den Hund, denn solch ein Verhalten zieht in der Regel lebenslangen Leinenknast nach sich. Während es also eher unwahrscheinlich ist, dass es irgendwo einen Schäfer gibt, der Probleme mit dem Jagdverhalten seiner Hunde hätte, treibt genau dieses Problem mehr und mehr "Hobbyhundehalter" in die Hundeschulen.
Fazit: Ein Deutscher Spitz muss vor allem Ruhe lernen und dafür braucht er weder unbedingt Agility noch Mantrailing oder Rettungshundearbeit. Schon gar nicht, solange er noch nicht ausgewachsen ist. Eigentlich ist es ganz einfach: Ein Spitz will Dir bei irgendetwas helfen, wobei, ist ihm egal. Dies kann auch das schlichte, aber so wertvolle gemeinsame Spazierengehen sein, die Begleitung beim Einkaufsbummel oder der Besuch im Café.
Es gibt ein altes Sprichwort, das da lautet "Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande". Und genauso ergeht es unserem Deutschen Spitz. Obwohl er unsere älteste, heimische Hunderasse ist und ein Allzweckhund, wie man ihn sich besser nicht ausdenken könnte, setzt man lieber auf Rassen, die aktuell im Trend sind - sei es zur Bewachung von Haus und Hof, sei es zum Hüten der Herden. Da versuchen Menschen ihre Rinderherden mit Border Collies zu treiben und beklagen sich anschließend in Foren darüber, dass das irgendwie alles nicht so gut klappt.
Selbst die GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.) weiß nichts von der Eignung des Deutschen Spitzes als Treibhund. So ist auf der Homepage der GEH folgendes über den Altdeutschen Hütehund zu lesen:
"Einzige einheimische Hunderasse, die auch mit schwierigen Rinderherden zurechtkommen kann."
Nope! ✋🏻 Hier muss ich mit Nachdruck widersprechen. Auch der Deutsche Spitz ist in der Lage, Rinderherden mit Bravour zu treiben. Und das sollte er auch wieder viel öfter tun dürfen!
Leider sind die vielen Fähigkeiten des Spitzes immer wieder verkannt worden und auch als Hirtenhund ist er stets hinter runtergefallen, was bei den Spitzfreunden aller Zeiten zu einer gewissen Resignation geführt hat. So rief einst ein Schäfer in der sächsischen Oberlausitz seinem Spitz in der Kirche zu: "Spitz kumm, dar Korl stichelt", als der Pfarrer vom guten Hirten predigte. 😉
Um jeder Meckerei vorzubeugen: Ich bin weder Schäfer noch hat dieser Artikel den Anspruch, irgendjemandem die Schäferei bzw. den Beruf eines Viehhirten zu erklären. Mir geht es vor allem darum, verständlich darzustellen, dass sich eben auch der Deutsche Spitz zur Arbeit als Treibhund eignet - nicht mehr und nicht weniger!
[1] Zitat vom Kynologen Rudolf Löns
[2] https://pixabay.com/de/users/varadannadate-20833347/
[3] Von Jean-Michel Castelan/Design Madeleine - Collection privée, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3855094
[4] Mit „Pommer“ ist übrigens ausschließlich der weiße Spitz gemeint.
[5] Ernst Floeßel - „Der Hund – Ein Mitarbeiter an den Werken der Menschen“, S. 225 (Ausgabe von 1906)
[6] Aus: „Der Deutsche Spitz“ Nr. 63, Seite 48
[8] Floeßel, Seite 232
[9] Floeßel, Seite 232
[10] Aus: "Der Tierfreund" 9/1965
[11] Von friend of tr:user:Onur1991 - Commons file "KangalTürkiyede.jpg", CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16984761
[12] Floeßel, Seite 235
[13] Floeßel, Seite 230
[14] Vgl. Floeßel, Seite 384
[15] https://www.dogbible.com/de/hunderassen/harzer-fuchs
[16] © Aufnahme: Deutsche Fotothek/ Regine Richter; Kupferstich: Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD), Kupferstichkabinett
Stand: 29.02.2024
Hans Günter Bretthauer (Sonntag, 10 November 2024 12:09)
Ich bin,war, Schafhalter und führe einen Border Colly und eine Altdeutsche.
Das ist mit Abstand die beste Darstellung der unterschiedlichen Viehhundetypen.
Ich könnte mir gut vorstellen, auch mal .mit einem Spitz zu arbeiten,