Der Deutsche Großspitz


Ein Rasseportrait


INHALTSVERZEICHNIS:

Vorwort

Historisches

Deutscher Großspitz Geschichte
Großer Spitz aus dem 19. Jahrhundert

Vorwort

Was Spitzart ist, kann niemand entgehen, der Augen und Ohren hat! Und auch der Name passt vortrefflich - wie Arsch auf Eimer. Denn ob man nun sein Aussehen nimmt oder sein Wesen, alles ist auf "spitz" und "Spitzen" zugeschnitten: vom spitzen Spitzgesicht, über die spitzen Ohren bis hin zur flinken Aufmerksamkeit, die jeden ordentlichen Spitz auszeichnet. Voller Temperament ist er, der Sanguiniker unter den Hunden, mit allen guten und problematischen Eigenschaften seines Gemüts. Er hat halt einfach immer was zu tun. Dass er dabei oft misstrauisch ist, darf man ihm nicht ankreiden, denn so ist es einfach bei einem so wachsamen Hund wie unserem Großspitz. Sein Sinn für Besitz ist enorm und die Handwerksburschen von einst konnten ein Lied davon singen, machten sie doch gern einen großen Bogen um das Bauernhaus, in dessen Tür ein großer Spitz stand. Und da stand oft einer. Versuchten sie aber ihr Glück, weil die Bäuerin doch recht freundlich wirkte, stand schon knurrend der Spitz daneben und wich nicht von der Stelle, bis die Fremden wieder fort waren. Oftmals knurrte er noch so lange hinter ihnen her, bis sie die Straße erreicht hatten (Für den Spitz ist ja eigentlich jeder Besuch verdächtig, mag er auch von Herrchen oder Frauchen noch so herzlich begrüßt werden. Möglicherweise denkt der Spitz ja, sein Herr könne sich irren und er müsse sich daher für den Fall der Fälle bereithalten).

Historisches

Weil es früher - als unser Spitz noch Gebrauchshund war - lediglich die beiden Größenkategorien "groß" und "klein" für ihn gab (die Varietäten "Mittelspitz" und "Zwergspitz" kannte man damals noch nicht), ist in meinem Artikel durchaus immer der große Spitz bzw. der Großspitz gemeint, wenn ich vom Deutschen Spitz spreche.

 

Das Ursprungsland des Deutschen Spitzes ist Deutschland und als solches auch international von der FCI als zuchtbuchführend anerkannt. Neben der Bezeichnung "Spitz" wurde unsere Hunderasse früher auch "Pommer" genannt; in England, Frankreich und Schweden nennt man sie noch heute so:


Urbandenkmal
Urbandenkmal

Englisch: "Pomeranian"

Französisch: "Lou-Lou de Poméranie" und "Chien de Poméranie"

Schwedisch: "Pomerska Spetsen"

 

Irgendwas muss es auf jeden Fall damit auf sich haben: ob der Spitz nun gerade auf Fuhrwerken aus Pommern besonders häufig zu sehen war - sozusagen als pommerscher Nationalhund - oder ob die pommersche Spitzzucht einfach sehr berühmt war, die sich vorrangig dem weißen Spitz widmete.* 

 

Das traditionelle Stammland des schwarzen Spitzes lag hingegen in Württemberg. Der schwarze Großspitz, den man auch "Weinbergspitz" nannte, wurde von den schwäbischen Winzern zum Bewachen der Reben gehalten. Das Urbandenkmal in Stuttgart, das einen jungen Winzer nebst seinem "Weinbergspitz" zeigte, erinnert denn an diesen wichtigen Dienst der großen Spitze. Leider wurde das Urbandenkmal nach dem Krieg eingeschmolzen. Nicht zu verwechseln ist das Urbandenkmal übrigens mit dem Kuhhirtendenkmal in Bochum, dieses zeigt einen Wolfsspitz.  

Spitz Bauern Köln Relief
Relief einer deutschen Bauernfamilie mit Spitz in Köln

Unseren großen Spitz fand sich auch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts (bis zum Abriss des Gebäudes) in einem Relief über der Eingangstür im Portal des Hauses der Rheinischen Landesgenossenschaftskasse in Köln, das den großen Spitz als Wächter von Haus und Hof in der Landwirtschaft zeigte. Köln war einst der Mittelpunkt des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens und zählte über 200.000 Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende zu seinen Verbandsmitgliedern. Tatsache war und ist, dass zu einer deutschen Bauernfamilie - wie das Relief im Bild zeigt - nun einmal der Deutsche Spitz gehört. 

 

Der mittelalterliche "Mistbeller" war ein mittelgroßer, kläffender Wachhund - ganz sicher ein großer Spitz - der im Ansehen allerdings eine Stufe tiefer stand als der seriöse Hovawart. "Spitzhundt" war damals ein Schimpfwort und auch sonst hat es in der Geschichte nicht an Versuchen gefehlt, den Spitz schlecht zu machen. Jede Tugend hat ihre Kehrseite und das Spitztemperament mag dazu verleiten, den misstrauischen Aufpasser mürrisch, zänkisch und falsch zu nennen. Aber wer ist nicht schon seiner Tugenden wegen verleumdet worden! 😉

Fuhrmannsspitz Hofhund Deutscher Spitz Wachhund
Ein weißer Großspitz bewacht einen Bauernhof

Mancherorts, wo man den Deutschen Spitz antraf, nannte man ihn auch "Fuhrmannsspitz". Fuhr einer Kartoffeln zum Markt - obendrauf saß ein Spitz. Kam der Lumpenhändler dahergefahren - neben ihm saß der Spitz. Rollte der Wagen des Gemüsebauern durchs Dorf - lief dahinter ein Spitz. Aber was auch immer der Fahrer geladen hatte, er konnte seinen Wagen ruhigen Blutes stehen lassen und im Wirtshaus einen trinken gehen. Kam einer Spitzens Eigentum zu nahe, rannte dieser mit lautem Gekläff drumherum. Als Fuhrmannsspitz kam die Rasse aber auch viel in der Welt herum und sorgte von selbst für ihre Verbreitung und Wertschätzung. Schon Beckmann schilderte ihre guten Eigenschaften:

 

"Der Spitz übertrifft alle anderen Haushunde an Wachsamkeit. Beständig, misstrauisch, argwöhnisch und alle Vorgänge in seiner Umgebung beobachtend, bringt der geringste Verdacht ihn sofort in Alarm. Die Sorge für das seiner Obhut anvertraute Gut treibt ihn meist bis zum Äußersten und zeigt damit eine Anhänglichkeit, die oft geradezu rührend ist.

Wesen


schwarzer Großspitz
Schwarzer Großspitz Bibo (Ruhnert)

Während die kleinen Spitzvarianten stets auch als Schoß- oder Gesellschaftshund gehalten wurden, war der Großspitz bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts vor allem ein Gebrauchshund. Dies hat sich in seinem Wesen erhalten, daher ist der ordentliche Großspitz nach wie vor weitaus schärfer und weitaus pflichtbewusster als seine kleinen Verwandten und lässt sich nicht so leicht von jedermann imponieren. Seine guten Eigenschaften blieben bisher weitestgehend erhalten, werden jedoch in letzter Zeit durch schlechte Zucht sehr erodiert, was sich daran zeigt, dass es inzwischen doch so einige Großspitze gibt, die beispielsweise der Jagd nicht abgeneigt sind oder sich von wildfremden Menschen streicheln lassen. Dabei schrieb schon Sassenberg 1951:

 

"Nie darf unser Spitz im Zuchtziel dem Modefimmel zum Opfer fallen, denn hierdurch geht meistens Wesen und Charakter verloren."**

 

Besser wäre es, den Großspitz auch weiterhin seinem eigentlichen Verwendungszweck und dem Rassestandard entsprechend züchten: als Wachhund, der das ihm anvertraute Gut unter keinen Umständen verlässt, da er hoftreu ist und kein Interesse am Wildern hat. Aus diesem Grund darf der Spitz zu keinerlei Ausdauerleistung fähig sein, um eben das Wild nicht hetzen zu können. Auch betont der Standard ausdrücklich die kurze, gedrungene Figur, der Rücken so kurz wie möglich. Wenn ein Großspitz derart gebaut ist - also kurz und gedrungen - dann kann er kein Jäger werden! Und wenn er doch mal einen Hasen oder ein Reh verfolgt, so wird ihm nach kurzem Sprint klar, dass sein Bemühen vergeblich ist. Wenn aber die Großspitze zu sehr auf Höhe gezüchtet werden und sie dabei gleichzeitig auch noch zu lang im Rücken werden, dann geht die Zuchtrichtung zu stark in Richtung Ausdauerläufer. Heutzutage würde man dazu "Form follows function" sagen - also Form folgt Funktion. Ein zuverlässiger, hoftreuer Wachhund braucht eben auch den Körper eines Wachhundes.

Auszug aus dem FCI Standard Nr. 97/12.11.2019/D - Deutscher Spitz:

"Der Deutsche Spitz ist stets aufmerksam, lebhaft und außergewöhnlich anhänglich gegenüber seinem Besitzer. Er ist sehr gelehrig und leicht zu erziehen. Sein natürliches Misstrauen Fremden gegenüber und sein fehlender Jagdtrieb prädestinieren ihn zum idealen Begleit- und Familienhund und zum Wächter für Haus und Hof. Er ist weder ängstlich noch aggressiv. Wetterunempfindlichkeit, Robustheit und Langlebigkeit sind seine hervorragendsten Eigenschaften."

Viele Jahrhunderte hindurch war der Großspitz - neben dem Wolfsspitz - der Wachhund schlechthin, der durchaus gefürchtet war, denn ein angreifender Spitz kämpft listig und unberechenbar. Doch so groß Spitzens Mut und Draufgängertum auch Fremden gegenüber sein mögen - in Gegenwart seiner Familie schmilzt er seufzend dahin und behält Kindern, Familienmitgliedern und kleineren Tieren gegenüber ein Leben lang seine unbedingte Harmlosigkeit. Auch ist der Großspitz unendlich begeisterungsfähig und lernt gern Kunststückchen oder jeden anderen Quatsch - Hauptsache er ist dabei. Von fremden Menschen hingegen lässt er sich nichts befehlen. Logisch, denn ein Wachhund, der auf die Kommandos Fremder hört (also auch auf die des Einbrechers), ist doch recht schnell arbeitslos. 

 

Im Gegenteil: Wie alle Spitze ist auch - und gerade - der Großspitz fremden Menschen gegenüber immer mindestens neutral bis hochgradig misstrauisch eingestellt. Dieses Misstrauen tendiert von vornehmer Zurückhaltung bis hin zur eindeutigen Warnung, wenn sich der Fremde in Spitzens Augen etwas zu sehr für das Mensch-Hund-Gespann interessiert oder sich auffällig benimmt.

Kurz und stramm, verfeinert mit einer großen Prise Misstrauen: Birk
Kurz und stramm, verfeinert mit einer großen Prise Misstrauen: Birk

Und ja: der Großspitz bellt! Er ist zwar nicht ganz so bellfreudig wie seine kleineren Vettern mitunter sind, ganz abschalten kann man ihn aber nicht. Fehlt eine entsprechende Erziehung, dann macht der große Spitz genau das, zu dem jahrhundertelang gezüchtet wurde: alles Verdächtige melden, wirklich alles! Mit Konsequenz und Geduld kann man das Bellen aber sehr gut in den Griff bekommen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung, da ich mit zwei großen Spitzen im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Berlin lebe.

 

Sowohl das Fremdeln als auch das Wachen kann man erzieherisch durchaus etwas beeinflussen - ganz aberziehen sollte man es aber nicht, gehören diese Charakterzüge doch zum ureigenen Wesen des Deutschen Spitzes!

 

Zum Spitzcharakter gehört auch ein großer Sinn für Unabhängigkeit und Freiheit. Auf Zwang und Tyrannei reagiert der Großspitz, wie alle seine Vettern, stets mit Renitenz, daher sollte man ihm zu harsche Dressur ersparen, sonst geht er ein wie eine Primel. Nur in Freiheit gehalten ist ein Spitz auch ein richtiger Spitz. Dann ist er neugierig, treu und selbstbewusst, dabei aber äußerst anspruchslos und preiswert im Unterhalt. Diesen Hang zur Freiheit sollte man auch heutzutage als Halter respektieren und seinen Spitz zum Beispiel so viel wie möglich frei laufen lassen. Oder um Eyke Schmidt-Rohde ("Der Spitz") zu zitieren:

 

"Viele Hundehalter wissen nicht, dass für jeden Hund, mit Ausnahme der kleinen Rassen, das normale menschliche Fußgängertempo qualvoll langsam ist. Die natürliche Fortbewegungsart unserer Vierbeiner ist der zügige Trab. Deswegen sind Hunde, die mit Rücksicht auf den Straßenverkehr stets nur an der Leine ausgeführt werden, bedauernswerte Geschöpfe." 

 

Deutsche Spitze sind unheimlich intelligent, das kann man so auch in jeder Rassebeschreibung nachlesen. Doch Vorsicht! Diese Medaille hat zwei Seiten, denn er nutzt seinen Intellekt zu gern, um Vorschriften geschickt und voller Charme zu umgehen oder seinen Herren mit Bravour auszutricksen. Die dem Spitz nachgesagte Sturheit resultiert hingegen meist aus falschem Verständnis oder aus ungeklärtem Rang. Der Großspitz braucht eine wirklich konsequente Erziehung, ohne die er sonst über kurz oder lang macht, was er will. Seine angebliche Leichtführigkeit und seine Eignung als Anfängerhund sind mit Vorsicht zu genießen. Ein Anfänger, der genau weiß, was er will und das auch durchsetzt, wird sicherlich sehr gut mit einem Großspitz klarkommen, aber es kommt eben auf den Menschen an sich und seine Persönlichkeit an. Der Großspitz ist eines definitiv nicht: ein Jedermannshund!

Rassestandard


Rassestandard Standard Großspitz Körperbau Aussehen

Die großen Spitze bestechen nicht nur durch ihren einmaligen Charakter, sondern auch durch ihr schönes Äußeres: Aus glattem Gesicht mit dicker Löwenmähne blicken einem die klugen, leicht schrägen Mandelaugen neugierig entgegen; dreieckige Ohren registrieren jedes Geräusch. Auf Katzenpfoten kommt er daher, der Großspitz, ein dickes Haarkleid schützt den kurzen, strammen Körper vor Sonne, Wind, Regen und sogar Schnee.

 

Die Größe des Deutschen Großspitzes liegt gemäß dem aktuellen Standard bei 45 +/-5 cm, womit er nicht sehr viel kleiner ist als der Wolfsspitz (erst recht nicht, seit die Keeshonden mit in den Standard des Wolfsspitzes integriert worden sind, aber das ist ein anderes Thema). Bei einem Gewicht von um die 15-20 kg ist der Großspitz ein Hund, den man durchaus ernst nehmen sollte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war er allerdings deutlich kleiner als heute und entsprach größentechnisch eher dem heutigen Mittelspitz, den es damals aber noch nicht als offiziell anerkannte Varietät der Rasse gab.

 

Großspitze gibt es in den Fellfarben Weiß, Schwarz, Braun und "andersfarbig", worunter Farben wie Orange, Blau, Wildfarben, Grau und Schecken zu verstehen sind. Aktuell sind alle Andersfarben, die sogenannten "bunten" Großspitze, im Verein für Deutsche Spitze nicht zulässig. 

 

Das doppelte Haarkleid selbst ist - wie der ganze Spitz - sehr pflegeleicht und anspruchslos, und da es wie mit Teflon beschichtet ist, braucht man den Spitz auch nicht zu baden: Der Dreck trocknet und fällt dann von selbst ab. Das Fell schützt gegen Kälte, Hitze und Verletzungen. Es wird NIEMALS geschoren! Oft wächst das Haar danach nicht wieder normal nach und der Spitz sieht danach sein Leben lang aus, wie von Motten zerfressen. Auch wenn Spitze kastriert werden, entartet das Fell oft zu einem unförmigen Plüschberg, der kaum mehr zu pflegen ist. Deshalb sollten Schur und Kastration beim Spitz nur aus Krankheitsgründen vorgenommen werden.

Der schwarze Großspitz


schwarzer Großspitz Fritz von Knüsel
Fritz von Knüsel

In den süddeutschen Weinanbaugebieten waren vor allem die schwarzen Großspitze weit verbreitet, die tagsüber den Hof bewachten und nachts in den Weinbergen Wache schoben (daher nannte man sie früher auch "Weinbergspitze"). Der schwarze Großspitz - als mittelgroßer, aufgrund seiner Farbe nachts unsichtbarer und sehr, sehr wendiger Hund - war geradezu dazu prädestiniert, sowohl menschliche als auch tierische Diebe von den Trauben fernzuhalten. So vertrieb er neben Vögeln auch Füchse und Marder. Da gerade Marder doch sehr wehrhafte Tiere sind, welche auch einem Hund durchaus gefährlich werden können, musste der schwarze Großspitz immer etwas schärfer sein als die anderen großen Spitze. 

 

Lange Zeit war die schwarze Fellfarbe bei den Großspitzen die bevorzugte Farbe, erst ab den neunziger Jahren wendete sich das Blatt und die schwarzen wurden in puncto Beliebtheit von den weißen Großspitzen überholt.  

Grauer Spitz Deutscher Spitz Großspitz
Grauer Spitz (aus: "Gebrauchs- und Luxushunde von K. Neunzig, Tafel Nr. 31)

Eine noch schärfere Version des schwarzen Großspitzes ist der blaue Großspitz. Mitunter wird anstelle der Farbe "blau" die Fellfarbe des großen Spitzes auch als "grau" bezeichnet. Wieso und warum weiß ich allerdings auch nicht. Wichtig ist an dieser Stelle, dass der graue Großspitz keinesfalls mit dem Wolfsspitz verwechselt werden darf. Im Gegensatz zum Wolfsspitz hat der graue Großspitz nicht nur keine Maske, sondern unterscheidet sich ihm sowohl durch die Fellstruktur, als auch durch den Körperbau an sich.

 

Aus Sorge vor Tieren, die durch die blaue Fellfarbe zu Krankheiten wie bspw. der Alopezie neigen könnten, ist die Zucht mit diesen Tieren mittlerweile stark eingeschränkt worden. In Anbetracht der vieler blauen Spitze, die in der Vergangenheit in den Zuchtbüchern auftauchten, halte auch ich es allerdings für wahrscheinlicher, dass der Deutsche Spitz zu den Hunderassen gehört, deren blaue Fellfarbe nicht an das Defektgen gekoppelt ist, welches für die Erkrankungen sorgt.

Der weiße Großspitz


Großspitz Weltsieger Weißhorn Weltausstellung Deutscher Spitz
Großspitze aus dem Zwinger "von Weißenhorn" erhielten 1935 den Weltsiegertitel

Der weiße Spitz war eigentlich immer der typische Bewacher des Hofes und wurde zudem auch zum Hüten der Herden eingesetzt. Die weiße Fellfarbe ist für einen Hütehund insofern von großer Bedeutung, als dass man ihn so auch aus der Distanz und in der Nacht vom Wolf unterscheiden kann.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden viele weiße Spitze nach Frankreich exportiert, wo sie leider mit Samojeden gekreuzt wurden. Aus dieser Kreuzung stammte beispielsweise der französische Champion "Prince LuLu". 

 

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es im gesamten DACH-Raum noch sehr viele weiße Großspitze. Auf der großen Welthunde-Ausstellung im Jahre 1935 in Frankfurt gewannen ein weißer Großspitzrüde (Max von Weißhorn) und eine weiße Hündin (Lisa von Stolzenfels) sogar den Weltsiegertitel. Im Krieg trat dann leider ein gewaltiger Rückschlag ein, da der Austausch von Hunden und somit die Zufuhr von Frischblut zur Zucht durch das Kriegsgeschehen mehr oder weniger verunmöglicht wurde. 

Prince Lulu Grand Loulou weißer Großspitz Geschichte Frankreich
Französischer Champion "Prince Lulu", ein Spitz-Samojeden-Mix

Verschlimmert wurde die Situation der Zucht der weißen Großspitze dadurch, dass viele Hunde nach dem Krieg aufgrund der Lebensmittelknappheit getötet werden mussten. Zeitweilig gab es in den ersten Jahren nach dem Kriege nur einen einzigen Züchter, der noch weiße Großspitze gezüchtet hat, nämlich Willy Wintzheimer mit seinem Zwinger "von der Norisschanze". Obwohl damals noch auf vielen Bauernhöfen große Spitze von den Misthaufen auf dem Land herunterkläfften, griff man auf diese Hunde seitens des Vereins nicht zurück, sie wurden faktisch als "nicht-existent" ausgeklammert.

 

Der weiße Großspitz bringt alle spitztypischen Eigenschaften mit, ist allerdings etwas gemäßigter als der schwarze Großspitz, aber als Wächter dennoch nicht zu unterschätzen. In diesen Farbschlag werden seit einigen Jahren immer wieder mal "American Eskimo Dogs" eingekreuzt, die zwar auf den Deutschen Spitz zurückgehen, aber durch diverse Einkreuzungen innerlich wie äußerlich Veränderungen erfahren haben, die sie inzwischen durchaus von den weißen Großspitzen unterscheiden. 

Der braune Großspitz


brauner Großspitz Kauthen Ruh
Der 2011 geborene braune Großspitz Marik von Kauthen Ruh

Die Einhörner unter den Großspitzen waren die Braunen schon immer, die früher vor allem eher in Süddeutschland verbreitet waren. Die alteingesessenen Zwinger, die schon vor dem Krieg große braune Spitze gezüchtet hatten, schlossen dann spätestens in den 50er Jahren ihre Pforten. Als man nach 1968 überhaupt keine braunen Großspitze ins Zuchtbuch eintragen konnte, unternahm man seitens des Vereins für Deutsche Spitze noch einen Versuch, den Farbschlag zu retten, indem man braune und schwarze Großspitzwelpen aus Wolfsspitzwürfen zur Zucht zuließ. Diese Welpen fielen im Zwinger "vom Sonnenglanz". Leider blieb der Erfolg aus. Nachdem 1994 die letzten braunen Großspitze im Zwinger "von der Kesterburg" gefallen waren, galten die braunen Großen danach als faktisch ausgestorben. Erst 2007 erblickten wieder braune Großspitzwelpen durch Rückkreuzung mit braunen Mittelspitzen das Licht der Welt. Im Jahre 2011 fiel dann der erste braune Großspitz, welcher durch Rückkreuzung aus schwarzen Großspitzeltern gezüchtet werden konnte, im Zwinger "von Kauthen Ruh". 

Der bunte Großspitz


Berühmter Scheckenspitz von George Stubbs
Berühmter Scheckenspitz von George Stubbs

Außerhalb des Vereins für Deutsche Spitze gibt es seit einigen Jahren zunehmend "bunte" Großspitzwürfe, also große Spitze, die beispielsweise gescheckt sind oder grau, wildfarben, orange, sable usw. Nachdem diese Farben für lange Zeit mehr oder weniger verschwunden waren, sind diese Würfe eine erfreuliche Bereicherung und schönes Come-Back der früheren Farbvielfalt.  

 

Bei aller Euphorie über diese neuen, "alten" Farben sollte seitens der Züchter dennoch versucht werden, die einfarbigen Großspitze nicht ganz aus dem Blick zu verlieren, da diese früher den absoluten Löwenanteil der Großspitzpopulation ausmachten - die andersfarbigen Hunde hingegen nur einen relativ geringen Anteil. Durch den starken Fokus auf bunte Würfe und die Abkehr von den Reinfarben Schwarz, Weiß und Braun wird das Aussterben letzterer nämlich immer wahrscheinlicher. 

Und die Farben heute?

Heute ist die Klassifizierung der zu erwartenden Charaktereigenschaften des Großspitzes anhand der Fellfarbe nicht mehr ganz so einfach. Das liegt zum einen daran, dass die Farbschläge inzwischen wieder untereinander verpaart werden dürfen und zum anderen daran, dass der Großspitz als solches auch einige Einkreuzungen über sich hat ergehen lassen müssen: Angefangen mit heimlichen Einkreuzungen von weißen Schäferhunden und Samojeden, über die Umschreibung und Verpaarung von und mit American Eskimo Dogs bis hin zu den Wolfsspitzen oder Keeshonden, die vor allem im osteuropäischen Ausland immer wieder in die schwarzen Großspitze gezogen werden. Hinzu kommt die varietätenübergreifende Verpaarung mit Mittel- oder Kleinspitzen. Dennoch ist die Fellfarbe durchaus eine Tendenz, an der man sich erstmal grob orientieren kann - nur eben kein Garant. 

 

Beispiel: Mein Rüde Birk hat schwarze Eltern, die aber wiederum Schwarz-Weiß-Verpaarungen von Großspitzen entstammen. Birk ist äußerlich weiß, entspricht aber vom Grad seiner Schärfe her absolut einem schwarzen Großspitz, wie man ihn sich früher als Wächter auf dem Bauernhof hielt. 

Abgrenzung vom Wolfsspitz


Unterschied Wolfsspitz Großspitz
"Wie? Großspitz zum Wolf umschreiben? Potzblitz!"

Bis 1965 war es Usus, Wolfsspitz und Großspitz immer mal wieder miteinander zu verpaaren. Erst mit Beschluss der 35. Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze im Jahre 1965 erfolgte die Trennung von Wolfs- und Großspitzzucht. Trotzdem die Varietäten zuvor immer wieder verflochten wurden, ist es nicht so, dass Wolfsspitz und Großspitz quasi derselbe Hund sind. Gerade beim wolfsgrauen Großspitz gibt es aktuell immer wieder die Forderung, ihn doch einfachheitshalber zum Wolfsspitz umzuschreiben. Ich persönlich halte das weder für sinnvoll noch für zielführend, denn der Wolfsspitz unterscheidet sich vom gesamten Behaarungstyp, von der Figur, von der Kopfform und vor allem vom Charakter her durchaus vom Großspitz.  

 

Während der Wolfsspitz ein sehr ernsthafter und eigenständiger sowie eigenwilliger Hund ist, ist der Großspitz weitaus cholerischer, aber auch anschmiegsamer. Der heißblütige Großspitz will seinem Herren gefallen, der mackerhafte Wolfsspitz will einfach sein Ding machen. 

 

Das heißt natürlich nicht, dass man nicht durchaus auch mal Wolfsspitze in den Großspitz einkreuzen kann, nur sollte dies mit viel Fingerspitzengefühl und unter engmaschiger Kontrolle der Nachzucht gemacht werden.

Erziehung


Der Großspitz ist komplett anders zu erziehen als ein Standardhund. Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, dass die 08/15-Hundeschulausbildung einem ordentlichen Großspitz überhaupt nicht gerecht wird. Wieso kann ich mit meinen Hunden entspannte Waldspaziergänge machen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie mir abdampfen, um jagen zu gehen? Warum können sie auch mitten in der vermüllten Großstadt nachts ohne Leine laufen, ohne dass ich gucken muss, ob sie irgendwelchen herumliegenden Mist fressen? Warum kann ich meine Hunde auch mal kurz vorm Supermarkt anbinden, ohne mir Gedanken machen zu müssen, dass mir jemand die Hunde klaut? Einfach weil ich die Spitze auch wie Spitze erzogen habe - und nicht wie Pudel oder Schäferhunde! Im Gegensatz zu den meisten anderen Rassen werden die Spitzartigen im Kopf tatsächlich erwachsen - während Labrador & Co. ewige, verspielte Welpen bleiben. Und entsprechend anders muss sich dann eben auch die Erziehung des Großspitzes gestalten.

 

Dennoch ist ordentliche und durchdachte Hundeerziehung auch beim Großspitz kein Hexenwerk - und ihm weitaus zuträglicher, als ihn zu Tode zu klickern, Mäntelchen und Geschirre in lustigen Farben zu kaufen oder zentnerweise Hundekekse zu backen. Weiterführend und ausführlich dazu mein Artikel über die Erziehung des Spitzes:

Kleine Zuchtgeschichte des Großspitzes


Ursprünglich wurden die großen Spitze nur für Eigenbedarf auf den Bauernhöfen gezüchtet und bis in das 19. Jahrhundert war der Spitz in Deutschland der am häufigsten anzutreffende Hundetyp. Dadurch, daß die Rasse eine relativ gewöhnliche Gebrauchshunderasse war, war das Aussehen der Tiere damals eher zweitrangig. 

 

1899 gründete sich dann der Verein für Deutsche Spitze und gab erste Standards heraus - als ein Verein von vielen, denn bis 1910 wurden in Deutschland in sage und schreibe sieben verschiedenen Vereinen Spitze gezüchtet. Aus Fachzeitschriften dieser Zeit ist bekannt, dass die Vereine allesamt eigene Ausstellungen bestritten. Der Verein für Deutsche Spitze vereinigte sich schließlich 1909 mit dem Deutschen Spitzer-Klub und schloss sich 1910 dem „Kartell“ (Vorläufer des VDH) an, wo der Deutsche Spitz bereits in den drei Varietäten Wolfsspitz, Großer Spitz und Kleinspitz gezüchtet wurde. 

Großspitz Farben Postkarte bunt Deutscher Spitz
Die drei Reinfarben des Spitzes: Schwarz, Braun und Weiß

Bis 1958 gab es den Großspitz in allen möglichen Farben, bis im selben Jahr die Farbreinzucht der großen Spitze beschlossen wurde. Erlaubt waren nur noch schwarz, weiß und braun. Auch durften nur noch gleiche Farben miteinander verpaart werden. Die Wolfsspitze wurden komplett ausgeklammert und dürfen bis jetzt nur untereinander verpaart werden. Damit wurde die genetische Basis gerade bei den Großspitzen stark verkleinert.

 

Aufgrund der Wildreinheit unseres Deutschen Spitzes kam man ab den 50er Jahren - übereinstimmend mit vielen Jägern und Förstern - schließlich in einigen Landesjagdverbänden zu der Überzeugung, dass die ansässigen Bauern dem guten, alten Deutschen Spitz wieder seinen angestammten Platz als Haus- und Hofhund einräumen sollten, um der Wilderei der hiesigen Hofhunde ein Ende zu setzen. Die Landesjagdverbände in Deutschland und Österreich züchteten Wolfsspitze und schwarze sowie weiße Großspitze selbst und gaben sie für kleines Geld an die Bauern ab. Genauso wurde die Anschaffung eines großen Spitzes von den Jägerschaften subventioniert. Dies alles gab der Großspitzzucht - gerade was die Schwarzen anbelangte - bis zum Ende der 60er Jahre etwas Auftrieb. Leider ging es danach rasend bergab und endete mehrmals fast mit dem Aussterben der großen Spitze. Im Jahre 1973 wurde gerade einmal ein einziger Welpe (!) verzeichnet. Es ging danach zwar allmählich wieder aufwärts, allerdings wurden erst gegen Ende der 80er Jahre wieder mehr als 30 Welpen gemeldet. Zum Ende des 20. Jahrhunderts hin, gingen die Eintragungszahlen wieder zurück auf um die 20 Welpen. Wirklich bedenklich war allerdings, dass von 1997 bis 1999 kein einziger schwarzer Großspitzwelpe mehr in den Zuchtbüchern Deutschlands zu verzeichnen war. 

Brauner Großspitz Deutscher Spitz
Brauner Großspitz

In der DDR gab es Groß-, Wolfs- und Kleinspitze, wobei die Kleinspitze den deutlich größten Anteil der Spitze bildete. Sie alle wurden im VKSK (Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter) gezüchtet. Die Zuchtauflagen waren in der DDR wesentlich strenger als in der BRD und bereits Mitte der 1960er Jahre wurde für die Groß- und Wolfsspitze das HD-Röntgen verpflichtend eingeführt. Während anfänglich noch einzelne schwarze, weiße und extrem selten auch braune Großspitze in der DDR existierten, waren diese in den 1970er Jahren bereits vollständig aus der Zucht verschwunden und wurden erst ab Beginn der 1980er Jahre aus Osteuropa importiert. Die Großspitz-Zucht selbst wurde in der DDR allerdings hochgradig inzüchtig und inzestzüchtig betrieben. Nach dem Mauerfall traten 1991 die VKSK-Spitzzüchter in den Verein für Deutsche Spitze ein.

 

2003 wurde der Großspitz von der GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.) in die Kategorie I der Roten Liste als extrem gefährdet aufgenommen!

 

Seit 2019 ist im Verein für Deutsche Spitze die Schwarz-Weiß-Verpaarung der großen Spitze wieder erlaubt. Ebenfalls wurde 2022 ein Zuchtprogramm seitens des VfDSp herausgegeben, das die Verpaarung von Groß- und Mittelspitzen erlaubt, jedoch weiterhin die Verpaarung mit Wolfsspitzen verbietet. 

Fazit


Wer mit einem Großspitz liebäugelt, sollte vorab genau prüfen, ob diese Hunderasse - so wie sie ist - zu ihm und in sein Leben passt. Ein vom Körper und Charakter dem Rassestandard entsprechender Großspitz ist eben ein richtiger, echter Wachhund - mit allen zu erwartenden Vorteilen und Nachteilen: 

  • Ein Hund, der sich hauptsächlich an einen einzigen Menschen der Familie bindet und größtenteils nur von diesem Befehle entgegennimmt.
  • Ein Hund, der misstrauisch Fremden gegenüber ist und daher nicht freundlich auf ihm unbekannte Menschen zugeht und sich schon gar nicht von Wildfremden "durchkuscheln" lässt. 
  • Ein sehr intelligenter, sehr anhänglicher Charmebolzen, der immer gern dabei sein möchte - egal, wohin es geht. 
  • Ein zuverlässiger Beschützer, der seinen Herren zur Not auch mit seinem Leben verteidigt (Ich hätte keinerlei Bedenken, mit meinen Hunden nachts im roten Latexmini mitten durch die Bronx zu flanieren.). 
  • Ein kinderlieber Clown, pflegeleicht und anspruchslos, der sehr an seiner Freiheit hängt und an dem man sich mit reiner Dressurerziehung die Zähne ausbeißt. 
  • Ein Hund, mit dessen Erziehung man nie wirklich fertig wird, weil er immer wieder hinterfragt. Alles und jeden. 
  • Ein Hund, der keinen Hang zum Wildern hat, nicht stiften geht und darum viel ohne Leine laufen kann.
  • Er ist kein Langstreckenläufer und nicht geeignet für Menschen, die mit ihrem Hund 20-km-Radtouren machen möchten. 
  • Der Großspitz ist kein Hund, der sich die Butter vom Brot nehmen lässt. Ist die Frage der Hierarchie ungeklärt, kann so ein großer Spitz durchaus gefährlich werden, auch seinem Besitzer gegenüber. Wobei die Hierarchiefrage für Spitzen dann ja durchaus geklärt ist. Er bekommt vom Menschen die Signale, dass er in der Rangordnung mindestens ebenbürtig ist,  also an der Spitze der Hierarchie steht. So viel zu dem Ansatz, mit seinem Spitz gleichberechtigt auf einer Ebene agieren zu wollen. 😉 

Zum Abschluss


Ein Dieb, der durch die spitzfindige Verteidigung seines Anwalts dem drohenden Gefängnis entgangen war, wollte sich erkenntlich zeigen:

 

"Geben Sie mir einen Rat", sagte der Anwalt, "ich habe ein einsam stehendes Haus. Wie kann ich mich am besten vor Dieben schützen?"

 

Der Dieb: "Sie müssen sich den richtigen Hund halten. Es gibt nur einen, den wir nicht durch Leckerbissen bestechen können. Halten Sie sich einen Spitz!"

Deutscher Spitz Wachhund unbestechlich

Weiterführende Artikel:


Anmerkungen

* Bemerkenswert ist übrigens, dass sich die Quellen zum Deutschen Spitz mitunter sehr widersprechen. So bezeichneten Buffon und Bechstein den weißen Spitz als "Wolfshund" oder "Wolfsspitzer". welcher wohl in Thüringen bei den Fuhrleuten sehr beliebt war und die Größe eines Hühnerhundes hatte. 

**Heinrich Sassenberg, Vorstandsmitglied des VfDSp von 1931 bis 1964

Stand: 06.02.2023

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