Seit ihrer Entstehung ist es das wohl Schicksal der Spitze, eine Hunderasse zu sein, die im Verborgenen blüht. Nur so kann man erklären, dass sie stets "nur" die gewöhnlichen Hunde des Volkes waren - die Hunde der Bauern, Fuhrleute, Händler und Schiffer - und daher klafft in ihrer Geschichte bis in die Neuzeit eine riesige Lücke. Die Spitze waren jedoch für das Volk unentbehrlich, sei es als Begleiter und Wächter von Hab und Gut, sei es als Spielgefährten für die Kinder. Und ebenso waren sie Rattenfänger, Kuhhirten und Gänsehüter. Im Adel hingegen - der Schicht, von der so viele Impulse für die Hundezucht ausgingen - waren sie nicht gefragt. Man bevorzugte die Zucht edler Jagdhunde oder seltener Begleithunde. Vermutlich war ihnen der Spitz einfach zu gewöhnlich, zu unscheinbar.
Die schlichte Schönheit dieses Hundes,
den Charme, das wache Temperament,
preist jedermann bewegten Mundes,
der einen Spitz sein eigen nennt.
Mit Recht! Dies Tier ist auserlesen
des deutschen Hauses Schutz zu sein,
und uns durch anmutsvolles Wesen,
durch Treu’ und Klugheit zu erfreu’n.
Bereits vor mehr als tausend Jahren
gab es den Spitz in heutiger Gestalt,
denn eine Wandlung hat er kaum erfahren,
und seine stolze Rasse ist uralt.
Der deutsche Spitz, von jeher volksverbunden,
genügsam, kernig, wetterfest, geschwind,
zählt mit zu jenen edlen Rassehunden,
die ein Geschenk der Allmacht an uns sind.
Walter Nößler
Spitze sind eine der ältesten Haushunderassen überhaupt. Für diese Auffassung spricht einerseits die Tatsache, dass es eine unübersehbare Ähnlichkeit zwischen Spitzen und Wölfen, Schakalen und Kojoten gibt und andererseits findet man viele Abbildungen und Skulpturen von spitzartigen Hunden bereits in der Antike. Dies bedeutet, dass sie von Wesen und Charakter her durch die Jahrtausende hinweg gefestigt sind. Deutsche Spitze sind durchweg "ehrliche" Hunde, denn sie sind - wie kaum eine andere Hunderasse - in der Lage, ihre Sympathie (oder auch Antipathie) gleich direkt beim ersten Kontakt deutlich zum Ausdruck zu bringen. Ihr angeborenes, argwöhnisches Verhalten wurde jedoch in der Vergangenheit oft falsch interpretiert und es bildete sich daraus das Vorurteil, dass Spitze "falsch" und "gefährlich" wären. Was aber ist so "falsch" und "gefährlich" daran, wenn ein Hund Fremden gegenüber lediglich misstrauisch ist und bis zur Selbstaufgabe Haus, Hof und Familie gegen fremde Bedrohung verteidigt?
"Der Spitz ist der geborene Haushund. Mit dem Eigentum seines Herren ist er unlöslich verbunden. Er gehört sozusagen zum Inventar und leistet vorzügliche Wächterdienste. . Seine Treue, seine Unbestechlichkeit, sein Misstrauen gegen alles Fremde sind Eigenschaften, die ihn hierzu in hohem Maße qualifizieren. Der Spitz ist der Freund der ganzen Familie und weiß einen jeden nach seinem Charakter einzuschätzen und zu bewerten. So kennt er seine Stellung im Hause, ein jeder hat ihn gern und neben dem gewöhnlichen Futter fällt so mancher gute Bissen für ihn ab. So hat einen einen wohlberechtigten Platz im deutschen Hause und wo er noch nicht anzutreffen ist, da sollte man ihm die Stätte bereiten. Ein Versuch lohnt und wird niemand gereuen. Er lebt auf dem Bauernhof und in der Behausung des Städters, auf dem Planwagen des umherziehenden Handelsmannes, die Pferde munter umspringend, und auf dem Kahn des Schiffers. Der Spitz ist ein guter Freund von hoch und niedrig, von arm und reich, am meisten aber liebt er die Kinder, deren unzertrennlicher, zuverlässiger, lieber Freund er ist.
Unbestechliche Treue, zuverlässige Wachsamkeit, bis an die Keckheit grenzender Schneid, höchste Intelligenz, sowie Anspruchslosigkeit sind seine Tugenden. Ins deutsche Haus gehört ein deutscher Spitz, so schreibt Amtsgerichtsrat Dr. R. von Uhden, Neudamm, einer der besten Freunde unserer Rasse. Daneben ist die gefällige Gesamterscheinung des Hundes hervorzuheben, welche jedem Laien in die Augen fällt und der zweifellos ein großer Teil der Beliebtheit zuzuschreiben ist, welcher sich unser Spitz erfreut."
"Der Deutsche Spitz in Wort und Bild" (1937), S. 16
Ein echter Spitz geht mit seinem Herrn durch dick und dünn und weiß dessen Eigentum energisch zu beschützen. Feinhörigkeit und Mut sind bei ihm erstaunlich ausgeprägt und zeitigen nicht selten Angriffslust. Daher ist der Spitz nicht nur ein sehr guter Wachhund, sondern auch ein hervorragender Schutzhund. Aber nicht nur das, der große Spitz weist auch die vorzügliche Eignung zum Hütehund auf. Mit erstaunlicher Sicherheit findet er verloren gegangenes Vieh und treibt es zusammen. Dabei stößt er - wenn möglich - nur mit dem Fang ans Rind, ohne es jedoch zu fassen. Der Wolfsspitz bringt es sogar so weit, dass er die ihm anvertraute Herde auch ohne den Menschen sicher zu bewachen, zu führen, auszutreiben und wieder heim zu leiten imstande ist.
Der sogenannte "Hackenbiß", der notwendig ist, um größeres Vieh wie Kühe zu treiben, ist ihm angeboren und muss nicht erlernt werden. Heute beherrschen ihn nur noch wenige alte Hütehundrassen (z.B. der Westerwälder Kuhhund oder der Harzer Fuchs).
"Durch Bellen und Zwicken sorgt sie (die Wolfsspitzin, Anm. d. Autoren) dafür, dass die Kühe immer schön hintereinandergehen und nicht abschweifen. Sie kennt genau die Zeiten. Sie wird vom Haus losgeschickt, die Kühe zu holen, damit sie gemolken werden können. Während des Melkens bewacht sie sie und nach dem Melken geleitet sie sie wieder zur Weide." (aus "Der Tierfreund" 9/1965).
Überlässt man dem Spitz zu viele Entscheidungen und führt ihn zu lasch, kann der kleine Wächter diesen Hackenbiß auch durchaus einsetzen, um seine Menschenherde zusammenzutreiben und zur Räson zu bringen. Heutzutage wird unser Grauer leider nur noch ganz selten als Hütehund eingesetzt. Es wäre wahrlich sinnvoll, sein Können in dieser "Berufssparte" wieder einmal zu bewerben.
Seine Spezialisierung als Wächter von Haus und Hof ist tief im Spitz verankert: genießt der Spitz keine Erziehung und hat auch keine weitere Beschäftigung und Aufgabe, dann tut er das, wofür er jahrhundertelang gezüchtet wurde: alles Verdächtige melden, wirklich alles! Dennoch ist die alte Spitzeigenschaft des nicht nachlassenden Bellens aber in brenzligen Situationen genau das richtige Verhalten für einen Wächter: denn das Melden des Verdächtigen ist das Wichtigste; der auf sich allein gestellte und blindwütig angreifende Hund wird schneller abgemurkst, als er gucken kann und keine Hilfe mehr herbeibellen können, denn er wird dem bewaffneten Verbrecher immer unterlegen sein. Der Spitz hingegen vermeidet es schlauerweise, in den Bereich der menschlichen Hand zu kommen, was ihm den Ruf der Feigheit eingebracht hat. Feige ist daran aber gar nichts, denn dieses Verhalten ist sehr klug. Der Spitz schnellt im Angesicht des Ganoven immer wieder vor und zurück, ohne sich in dessen Nahbereich zu begeben, während er unablässig kläfft. Den so permanent "Alarm schlagenden" und umherjagenden Spitz zum Schweigen zu bringen, ist eine fast unlösbare Aufgabe. Denn egal, was der Gauner tut, der Spitz hält einfach nicht das Maul!
Das waren noch Zeiten, als Spitz und Nachtwächter für Sicherheit und Ordnung sorgten. Als Motiv auf Neujahrskarten brachten sie das Volk wohlbehalten durch die sagenumwobenen Rauhnächte ins neue Jahr.
Auch sollte man einen - wenn auch noch so kleinen - Spitz niemals unterschätzen, denn er ist ein wirklich unangenehmer Gegner. Der Spitz warnt durchaus mehrmals, aber wenn dies nichts nützt, dann wird zugepackt - und zwar äußerst entschlossen und draufgängerisch. Auch kämpft er nicht blindwütig, sondern geradezu "listig" und unberechenbar. Hinzu kommt das Getöse, das die Attacke begleitet; alles sehr unangenehm für zwielichtige Elemente. Dennoch muss hier betont werden, dass der Spitz kein aggressiver Hund ist.
Der Deutsche Spitz ist sehr, sehr aufmerksam. Mit einem Ohr wacht der Spitz immer, auch wenn er friedlich dort liegt und zu schlafen scheint; natürlich registriert er sofort außergewöhnliche Geräusche. Dann ist er sofort hellwach und zu allem bereit. Auch Richard Strebel bescheinigte dem Spitz ein ungemein ausgebildetes Gehör, seine Ohren seien stets in Bewegung und aus seinem munteren Auge spreche Wachsamkeit:
"Ist er zum persönlichen Schutz des Menschen da, so gibt es kaum einen anhänglicheren Hund als den Spitz, er ist, was nicht oft genug hervorgehoben werden kann, unbestechlich. Die Beispiele, dass ein Spitz sein Leben für die Bewachung rücksichtslos aufs Spiel gesetzt hat, sind nicht selten."
Fremden Menschen gegenüber ist der Spitz daher immer mindestens neutral eingestellt, vermutlich aber tendiert er eher in Richtung Misstrauen. Und damit muss man einfach leben! Dieses Misstrauen zeigt sich bei den größeren Vertretern meist durch vornehme Zurückhaltung, die kleineren Vertreter knurren dann schon mal etwas schneller. Oft legt sich aber diese Zurückhaltung schnell, wenn der Besitzer durch sein Verhalten signalisiert, dass der „Fremdling“ willkommen ist. Aber nicht immer. Und Achtung! Ein Herumlaufen im Haus ohne den Besitzer kann den Wachinstinkt wieder wecken. Schon ist der Gast gar nicht mehr so willkommen und wird zumindest an Ort und Stelle "fixiert". Das gilt genauso für das Betreten des Grundstückes von eigentlich bekannten Menschen. Viele Spitze akzeptieren es im Beisein des Besitzers problemlos – aber ohne dessen Beisein sollte man das Grundstück lieber nicht betreten. Im Übrigen sind viele Spitze nicht nur fremden Menschen gegenüber misstrauisch, sondern auch fremden Hunden. Diese hatten nämlich auch nichts auf dem Hof zu suchen.
Der Charakter des Spitzes wird in besonderem Maße von seinen Eigenschaften als Wachhund bedingt. Seine Wachsamkeit ist sprichwörtlich und oft wurde er gerade deswegen falsch beurteilt. Immer wieder wurde ihm fehlende Anhänglichkeit nachgesagt und sogar Strebel, der als Kynologe sehr objektiv war, schrieb vom Spitz, dass dieser mehr an den zu bewachenden Gegenständen hinge, als an seinem Besitzer - was natürlich Quatsch ist.
Seine erstaunliche Beweglichkeit und Flinkheit lassen sich damit erklären, dass der Spitz eben nicht nur Hofhund war, sondern der bevorzugte Begleiter der Fuhrleute. Da war er ständig unterwegs, nicht nur mit seinem Herrn von einem Ort zum anderen, sondern er sprang auch während der Fahrt zwischen den großen Wagen hin und her, damit nicht etwa unbemerkt von hinten etwas von der wertvollen Ladung gestohlen werden konnte. Noch vor gar nicht so langer Zeit lief also beinahe hinter jedem Überlandfuhrwerk ein eifriger Spitz her, den Kopf unter dem Wagenkasten und bereit, blitzschnell darunter hervorzuschießen, wenn irgendetwas seine Aufmerksamkeit erregte. Genauso eifrig sah man ihn auch auf den Lastkähnen der Binnenschiffe, wo er von vorn nach hinten schoss, bereit alles Störende auszuschimpfen. Einem Spitz entgeht nämlich nichts, ob vor der Haustür jemand stehenbleibt, ob im Schuppen etwas poltert, ob auf dem Hof ein Huhn auf verdächtige Weise gackert - unverzüglich eilt er zu jeder Lärmquelle, um nach dem Rechten zu schauen und seinen Senf dazuzugeben. In jedem Fremden, der ins Haus tritt, vermutet er einen Verdächtigen und es dauert stets eine ganze Zeit, bis er sich von der Harmlosigkeit eines Besuchers überzeugen lässt. Zu Bestechen ist er nicht. Bietet ihm jemand einen Keks zur Beschwichtigung, wird er nur umso misstrauischer.
Den Beweis dafür, wie nützlich sich diese unerschütterliche Wachsamkeit erweisen kann, liefert ein Vorfall, der sich in den 1950er Jahren ereignete und von dem auch in den Zeitungen berichtet wurde: Einbrecher drangen in die Wohnung eines Metzgermeisters ein, der mit seiner Familie unterwegs war. Die Nachbarn hörten den Wolfsspitz des Meisters ununterbrochen bellen. Da das Gebell immer heftiger wurde und dann und wann von von schmerzlichem Aufheulen unterbrochen wurde, riefen diese die Polizei. Es gelang ihnen, einen der Verbrecher dingfest zu machen. Der Hund wurde blutüberströmt und von vierzehn Messerstichen verletzt aufgefunden. Die Diebe hatten jedoch ohne Beute das Feld räumen müssen, nachdem sie den ohne Unterlass bellenden, sich ihnen auch immer wieder geschickt entziehenden Hund durch die ganze Wohnung verfolgt und vergeblich zum Schweigen gebracht hatten. Der Wolfsspitz wurde durch aufopfernde Pflege unter Anteilnahme der ganzen Stadt wieder gesundgepflegt. Er hat bewiesen, dass die alte Spitzeigenschaft des nicht nachlassenden, in diesem Falle geradezu heldenhaften und unter Schmerzen durchgehaltenen Bellens genau das richtige Verhalten war. Denn das Melden des Verdächtigen ist das Wichtigste; der auf sich allein gestellte und blindwütig angreifende Hund wird sehr schnell verstummen und keine Hilfe mehr herbei bellen können, denn er wird dem bewaffneten Verbrecher immer unterlegen sein.
Insgesamt unterscheidet sich das Wachen der Spitze vom Wachen sogenannter Wachhunde (wie etwa Schäferhunde) doch recht deutlich. Hunde, die auf ihre Aufgabe als Wächter eindeutig nicht züchterisch selektiert wurden, haben das Problem, dass ihnen oft das nötige Misstrauen gegenüber Fremden fehlt, welches der Spitz von Haus aus mitbringt. Daher muss der Spitz auch nicht zum Wächter erzogen werden, denn er ist dazu geboren. Seine Fähigkeiten resultieren zu einem großen Anteil aus der tief im Spitz verankerten Raubzeugschärfe.
Natürlich muss sich ein guter Wachhund seinem Herrn auch unterwerfen, aber wenn dieser abwesend ist, sollte er in der Lage sein, selbständig Entscheidungen zu treffen und diese auch durchzusetzen. Daher hat man im Spitz einen sehr anhänglichen, aber mitunter auch eigensinnigen bis dickköpfigen Kameraden, der nun einfach mal eine eigene Meinung hat.
Während diese Wächter-Eigenschaften bei Bauern und Fuhrleuten geschätzt waren, wollten die Menschen in Städten eher stille Hunde, die nicht kläffen. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem starken Zuzug der Landbevölkerung in die Städte des 19. Jahrhunderts verlor daher der Spitz als Gebrauchshund langsam seine Bedeutung.
Neben seiner hervorragenden Menschenkenntnis ist der Spitz ist ein Wachhund, der auch die notwendigen Eigenschaften "Hoftreue" und "Anhänglichkeit an seinen Herren" mitbringt. Denn was nutzt einem ein Wächter, der er nicht permanent anwesend ist - sei es auf dem Hof, sei es, wenn man mit einem Fuhrgeschäft unterwegs ist? Der Spitz neigt daher nicht zum Streunen, aufgezeigte Grenzen werden schnell akzeptiert, er hat kein Interesse an der Jagd. Sinn und Hintergrund hat diese seine Charakteristik darin, dass sich ein guter Wachhund zum einen auf gar keinen Fall am auf dem Hof beheimateten Geflügel etc. vergreifen durfte (daher fehlt der Jagdtrieb), zum anderen muss so ein Hund absolut bereit sein, sich seinem Herren zu unterwerfen und klug genug sein, in Abwesenheit seines Herren eigene Entscheidungen treffen zu können. Natürlich darf ein Wachhund niemals auf andere Menschen hören, als seinen Herren, da dies sonst seine Aufgabe als Bewacher ziemlich ad absurdum führen würde.
Da früher die Jagd das Privileg der Oberschicht darstellte, war Bauern die Haltung von Jagdhunden nicht oder nur unter strengsten Auflagen gestattet. Zu diesen Auflagen gehörte seit Anfang des 17. Jahrhunderts das „Knütteln“ der in Waldnähe lebenden Hunde. Darunter wurde die Befestigung eines Holzknüppels von mindestens einer Elle Länge am Halsband des Hundes verstanden, um ihn in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Alternativ kam aber auch die Amputation einer Gliedmaße, das Brechen eines Laufs oder das Durchtrennen von Sehnen infrage, um den Hund jagduntauglich zu machen. Mitunter war Bauern nur die Haltung bestimmter Spitzhunde erlaubt, die keinen Jagdtrieb aufwiesen. Daher wurde der Spitz seinerzeit von den Landesjagdverbänden an Hundehalter vergeben, deren wildernde Hunde erschossen wurden. So dämmte die Jägerschaft das Wildern durch unbeaufsichtigte Hunde ein.
Der Spitz ist immer zu allerlei Streichen aufgelegt und ein wahrer Clown. Selbst im hohen Alter macht der Spitz gern Quatsch mit und ist gut gelaunt. Darüber hinaus hat der Spitz noch eine weitere, tolle Eigenschaft, die man gerade im Umgang mit Kindern nicht hoch genug schätzen kann: der Spitz ist nicht nachtragend. Selbst wenn an den Lefzen oder an der Rute gezogen wird, sucht er sein Heil lieber in der Flucht, nur um wenige Minuten später erneut zur Stelle zu sein und im Zweifelsfalle dieselbe Prozedur erneut über sich ergehen zu lassen.
Obwohl der ausgewachsene Spitz durchaus sehr scharf werden kann, behält er Kindern, Familienmitgliedern und kleineren Tieren gegenüber durchweg seine unbedingte Harmlosigkeit. Besonders im Zusammenhang mit Kindern ist er immer zum Spiel aufgelegt. Wo Erwachsene seiner Meinung nach durchaus mal einen Rempler vertragen können, geht er mit einer solchen Vorsicht gerade an kleinen Kindern vorbei, dass man meinen könnte, er wollte zur Sicherheit sogar das Schwanzwedeln einstellen.
Sehr wichtig: am Tag des Einzugs des Spitzes sollten alle Familienmitglieder, Partner oder Mitbewohner des Herren anwesend sein. Wer nicht dabei sein kann, wird vom Spitz nicht als Teil seiner Gruppe empfunden werden, sondern eher als eine Art "Besitz" seines Herren, denn der Deutsche Spitz differenziert sehr stark zwischen Familienangehörigen, Freunden des Hauses, Bekannten und vollkommen fremden Menschen.
Nach außen sehr selbstbewusst und kühn, kann der Spitz in Gegenwart seines Herren wahrlich zu Butter zerfließen, denn wie heißt es so schön: "außen hart, innen zart". Doch Vorsicht! Der Spitz braucht bei aller Liebe einen wirklich selbstbewussten und durchsetzungsfähigen, konsequenten Herren. Ohne die gebotene Konsequenz macht der Spitz sonst über kurz oder lang was er will und mutiert zum Haustyrannen.
Auch ist er schlau wie ein Fuchs und man könnte fast meinen, er verstünde jede Wort. Er weiß jeden Charakter einzuschätzen und ist ein guter Freund und Beschützer seines Herren und von dessen Familie. Wird er von seinem Herren getadelt, ist das für ihn sehr, sehr schlimm. Eine verdiente Strafe nimmt er jedoch hin, ohne nachtragend zu sein.
Besonders bezeichnend für für den Spitz ist seine Anhänglichkeit. Alle Spitze möchten möglichst viel Zeit mit ihren Menschen verbringen, alleingelassen zu werden, selbst wenn sie dabei Gesellschaft von anderen Haustieren haben, gefällt ihnen hingegen nicht. Aus diesem Grund kann der große Spitz trotz seiner Aufmerksamkeit und Eignung zum Wachhund nicht dauerhaft draußen gehalten werden. Fehlt der stetige Kontakt zu seinen Menschen, leidet er stark darunter. Daher sollte man seinen Spitz, wann immer es möglich ist, mitnehmen. Diesem ist es nämlich völlig egal, ob er zu Fuß, im Auto oder per Fahrrad mit dabei sein darf - Dabeisein ist für ihn alles. Manchmal geht mit unseren Spitzen das Temperament durch und sie beweisen ihre Begeisterung für ihren Besitzer mit stürmischsten Liebkosungen. Das darf man ihnen aber nun wirklich nicht übelnehmen!
Der große Spitz ist übrigens sehr genügsam und pflegeleicht. Daher erlebten insbesondere die Wolfsspitze in der Zeit des Zweiten Weltkrieges - während andere Rassen fast völlig niedergingen - einen enormen Aufschwung. Im Jahr 1948 wurden rund 1500 neue Wolfsspitze registriert. Vielleicht brachte der Wolfsspitz alles mit, was man für „schlechte Zeiten“ brauchte: er ist ein anspruchsloser Wachhund, der keiner großen Pflege bedarf und so genügsam ist, dass er auch mit Kartoffeln auskommen soll (mit diesem "Slogan" wurde er damals beworben) und durch sein dichtes, langes Fell ist er optimal ausgestattet für den Außeneinsatz, denn es macht ihn witterungsunempfindlich und wetterfest. Schmutz gleitet nach dem Trocknen des Fells wie von einer Teflonpfanne ab und außerhalb des Fellwechsels muss das Tier auch nicht öfter als wöchentlich gekämmt werden. Sein kuschliges Fell erweckt den Eindruck, dass er auch ein Kuscheltier wäre, jedoch ist und bleibt er ein Arbeitshund, der bei Unterforderung (hiermit meine ich nicht Auslastung!) und schlechter Führung auch zum Tyrannen werden kann.
Der Spitz hatte sein Zuhause in allen Bevölkerungsschichten, in den ärmsten wie auch in den besseren. Die hier genannten und bekannten Gestalten der Weltgeschichte sollen stellvertretend aufzeigen, dass der Spitz wirklich überall zu Hause war. So hielt sich beispielsweise Michelangelo einen Spitz, ebenso Martin Luther, von dessen Spitz man sogar den Namen noch weiß: "Belferlein" (Pelverlin). Von diesem Belferlein ist überliefert, dass ihm sein Herr einen Platz im Himmel versprochen hat. Bei Wolfgang Amadeus Mozart finden sich viele Briefe an seine Familie, in denen der Spitz "Pimperl" erwähnt wird. Darin wird ausführlich geschildert, was der Spitz mal wieder so alles angestellt hat. Im weiteren Nachlass Mozarts fand sich sogar eine unvollständige Spitz-Arie, deren Text folgendermaßen lautet: "Du kannst gewiss nicht treulos sein, ach nein, ach nein, mein Spitz!" Die Melodie dazu ist leider bis heute nicht gefunden worden. Ebenso wie Mozart waren auch Ludwig Richter, Marie von Ebner-Eschenbach, Königin Victoria von England, Wilhelm Busch und Adalbert Stifter allesamt Liebhaber des Deutschen Spitzes. Und wer kennt nicht die Geschichten, die sich um den letzten württembergischen König, Wilhelm II., ranken, der ohne seine beiden Spitzer nirgendwo hingegangen ist. (Mehr dazu im Artikel "VIPs und ihre Spitze")
Einen Spitz zu entführen ist meiner Meinung nach eine Sache der Unmöglichkeit. Der Spitz - sofern man es überhaupt schafft, ihn mitzunehmen - "kaut" sich zur Not auch mittels seiner Zähne aus seiner Gefangenschaft heraus, so groß ist seine Treue. Vermutlich aber würde der vermeintliche Dieb schon daran scheitern, auch nur in den Nahbereich des z.B. vor einem Geschäft angebundenen Spitzes zu kommen.
Die dem Spitz nachgesagte Sturheit resultiert meist aus falschem Verständnis oder aus ungeklärtem Rang. Der Spitz beobachtet sehr exakt, und mit einer fast unheimlichen Feinfühligkeit erkennt er Stimmungen und Gefühle von Herrchen und Frauchen auf den Punkt genau. Aufgrund seiner Intelligenz ist er in der Lage, sofort richtig darauf zu reagieren.
Leider wird der Spitz heutzutage sehr auf sein Äußeres reduziert, obwohl er ein eigentlich ein Bauernhund war, dessen Wesenseigenschaften jahrhundertelang im Vordergrund standen. Durch die mitunter sehr einseitige Linienzucht auf eine einheitliche Optik haben allerdings die Arbeitseigenschaften gelitten, da auf sie folglich wenig Wert gelegt wird. Aus diesem Grund gibt es inzwischen sehr freundliche oder jagende Spitze, die für ihre eigentliche Aufgabe als Wächter absolut ungeeignet sind. Obwohl es inzwischen Verbesserungen innerhalb der Zucht gibt, hat nach wie vor das Exterieur Vorrang vor den eigentlichen Wesenseigenschaften eines Spitzes. Auch neue, bunte Spitzwürfe sind zwar schön, aber nicht des Rätsels Lösung, da immer noch zu wenig Wert auf Genotyp und Eigenschaften gelegt wird. Denn wer den Spitz wirklich liebt, tut es doch um seines Wesens willen!
Eine vortreffliche Charakterkunde unseres Spitzes (Auszug aus "Brehms Tierleben")
„Spitz (Canis familiaris domesticus pomeranus): Was der Schäferhund für die Herden, ist der Spitz oder Pommer (Canis familiaris domesticus pomeranus) für das Haus. Klein oder höchstens mittelgroß, kräftig und untersetzt, spitzköpfig und spitzschnauzig, als müßte man auf Reineke den Verdacht der Vaterschaft werfen, kurzbeinig und langschwänzig, ausgerüstet mit mäßig großen Ohren und eben solchen klugen und lebhaften Augen, dicht eingehüllt in ein bald grobes und langes, bald feines und kurzes Fell von rein weißer, gelber, fuchsrother, grauer, ausnahmsweise auch schwarzer Färbung, höchstens noch mit lichter Stirnblässe und weißen Abzeichen an den Füßen, tritt er uns entgegen, so daß man ihn schwerlich verkennen kann.
Dieser in seiner Art ebenfalls ganz vortreffliche Hund wird in vielen Gegenden Deutschlands, zumal in Thüringen, als Wächter auf Bauerhöfen zum Bewachen des Hauses und Hofes oder von Fuhrleuten als Hüter ihrer Wagen benutzt. Bei letzteren fehlt er wohl selten und übernimmt hier zugleich noch eine andere Rolle: er erheitert und erfreut durch sein munteres Wesen den in gleichmäßiger Weise seinen Tag verbringenden Mann bei dem schwierigen Geschäfte. Der Pommer gilt für die beste Rasse, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit besonders aufmerksam und lebhaft ist, dabei weder Regen noch Kälte scheut, ja gewöhnlich im Hause oder Hofe dort am liebsten zu liegen pflegt, wo der Wind am stärksten pfeift. Uebrigens zeigen alle Spitze einen großen Hang zur Freiheit und taugen deshalb nicht als Kettenhunde, während sie als umherstreifende Wächter ihrer Treue und Unbestechlichkeit wegen unersetzbar sind.
In seinem Wesen und Betragen unterscheidet sich der Spitz wesentlich vom Schäferhunde. Abgesehen von der unermüdlichen Wachsamkeit, welche beide mit gleichem Eifer ausüben, und seiner Freundschaft gegen Hausthiere ist er das gerade Gegentheil von diesem, immer in Bewegung, soviel wie möglich laut, ein oft höchst unangenehmer Kläffer sogar, heftig, reizbar und bissig.
Weder im Gehöfte, noch auf dem Wagen kann er in Ruhe bleiben. Dort lockt ihn jeder Vorübergehende an die Straßenthüre, jedes ängstlich gackernde Huhn in den Hintergarten; hier setzt er mit geschickten Sprüngen von der Ladung auf den Bock, vom Bocke auf den Rücken des Pferdes, oder aber herab auf die Straße und von dieser wieder auf den Wagen. Wie der Schäferhund liebt er Hausthiere ganz ungemein, am meisten aber doch die Pferde, mit denen er sich förmlich verbrüdert; wie seinem Verwandten geht ihm das Wohl und Wehe seiner Pflegebefohlenen, unter welche er selbst das Federvieh rechnet, sehr zu Herzen: aber während jener seine Arbeit still und gemessen verrichtet, tobt er ununterbrochen im Hause und Hofe umher, und sein beständiges Gebell gewinnt den Anschein des Keifens eines ewig schlecht gelaunten Wesens. Und doch ist er keineswegs übermüthig, sondern nur [648] eifrig und über die Maßen geschäftig. Alles Mistrauen, welches er gegen Fremde jeden Standes an den Tag legt, wurzelt einzig und allein in dem Bestreben, seinem Gebieter voll und ganz zu dienen. Zunächst sieht er in jedem Geschöpfe einen Dieb, mindestens einen Lästigen oder Störenfried, dem gegenüber er Haus und Hof, Vieh und Geräth zu vertheidigen hat. Der Besuchende wird übel empfangen, der fechtende Handwerksbursche nicht viel schlimmer, der Bettler kaum mit größerem Ingrimm; aber während er ersterem, sobald er ins Haus getreten, freundlich begegnet, knurrt er den Handwerksburschen noch an, nachdem er sich von dessen Ungefährlichkeit überzeugen mußte, und verfolgt er den Bettler noch bellend, nach dem dieser bereits Haus und Hof verlassen hat. Zwei-und vierbeinige behaarte und gefiederte Räuber und Diebe mögen sich vor dem Spitz in Acht nehmen: gegen sie ist er mit Bewußtsein heftig, zornwüthig, unerbittlich. Er verbeißt sich, und ob es ihm das Leben kosten möge, in der Wade des Diebes, kämpft ingrimmig mit dem Fuchse, weicht selbst dem Wolfe nicht, und tödtet den Habicht, welcher sich auf die Henne stürzte, falls dieser nicht durch schleunige Flucht sich rettet.
Alles Beschützen, alles in Ordnung halten, das ihm Anvertraute mit unbestechlicher Treue hegen und pflegen, scheint Lebenszweck des Spitzes zu sein. »In der Nähe eines vielbesuchten Badeortes mit schöner Umgebung«, so erzählte mir eine geistreiche und sinnige Frau, »lernte ich einen der wackersten Spitze kennen, welcher mir jemals vorgekommen ist. Wir wünschten einige der nächsten Aussichtspunkte zu besuchen und verlangten vom Wirte Weg und Steg zu wissen. ›Ich will Ihnen einen Führer mitgeben, auf welchen Sie sich verlassen können‹, bemerkte der Mann, und rief seinen Hund herbei. ›Spitz‹, sagte er, ›Du führst diese Herrschaften und zeigst ihnen alles, – alles hörst Du!‹ Spitz antwortete durch Wedeln des Schwanzes, machte die Runde von einem Mitgliede der Gesellschaft zum anderen und setzte sich in Bewegung. Unter seiner Führung stieg man den Berg hinauf. Einige Gesellschaftsmitglieder blieben zurück. Spitz wartete, ruhig am Wege sitzend, bis sie herangekommen waren; eine andere Gesellschaft, welche Tags vorher denselben Führer benutzt hatte, kam von oben herab, erkannte den Hund und lockte ihn an sich: Spitz wedelte freundlich dankend, blieb sich aber seines Auftrags bewußt und verließ die neuen Bekannten nicht. Rechts und links ab vom Wege führte er die ihm Anbefohlenen; auf jedem Aussichtspunkte blieb er sitzen, bis man sich zum Weitergehen anschickte; endlich kehrte er um. Er hatte seine Aufgabe glänzend gelöst, nichts versäumt, keinen schönen Punkt übergangen, kein Mitglied der Gesellschaft verloren. Sichtlich erfreut nahm er, zu Hause angelangt, das Lob seines Herrn und die Liebkosungen der von ihm Geführten entgegen.“
"Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs" Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 647-649
Stand: 26.01.2024
Ingrid (Samstag, 06 Mai 2023 11:48)
Ich wusste schon immer das ich einen außergewöhnlich Hund habe.
Fuer mich der Beste!