Informiert man sich online oder in Büchern und Fachzeitschriften über den Deutschen Spitz, begegnen einem recht schnell Begriffe wie "scharf", "mannscharf" oder "misstrauisch". Von deren Bedeutung hat man aber oftmals nur eine grobe Vorstellung.
Leider werden Beschreibungen, wie die auf dem nebenstehenden Bild, die die Natur des Deutschen Spitzes erst definieren, oftmals nur mit spitzen Fingern angefasst - oder auch gänzlich vermieden. Alternativ werden auch gern Euphemismen eingesetzt, um unerwünscht klingende Wesensbausteine phonetisch etwas "aufzuhübschen". Da nicht alles, was erstmal nicht direkt "positiv" oder "freundlich" klingt, zwangsläufig auch schlecht ist, möchte ich an dieser Stelle die die Spitznatur beschreibenden Termini nachvollziehbar aufdröseln.
Wie zweckmäßig es zudem sein kann, die Bedeutung des Deutschen Spitzes als tatkräftigen und relativ anspruchslosen Wach- und Gebrauchshund (mit all seinen martialisch klingenden Attributen) wieder mehr in den Vordergrund zu stellen - anstatt ihn zu einem nutzlosen Spielzeughund umzuzüchten - zeigen die Artikel in meiner Rubrik "Spitz-Geschichten". Alle dort aufgeführten Geschichtchen ereigneten sich tatsächlich und sind sehr schöne Beispiele dafür, wie wichtig eben jene "martialisch" klingenden Elemente für das Spitzwesen sind, die wir nun besprechen wollen.
Auch möchte ich auf die Frage eingehen, ob ein Hund mit solchen Wesenselementen eigentlich ein zeitgemäßer Familienhund ist - oder nur ein verstaubtes Relikt vergangener Tage?
Weiterhin ist es mir ein Anliegen, die den Spitz betreffenden Wesensbausteine hier einmal durchzudeklinieren, da ich der Meinung bin, dass es, wenn man mit einem anderen Lebewesen ordentlich zusammenleben und -arbeiten will, unbedingt notwendig ist, seine Grundtriebe und Eigenschaften zu verstehen. Es ist jedoch keinesfalls meine Absicht, eine eingehende Darstellung der seelischen Struktur der Rasse in ausführlicher Darstellung zu geben. Dies würde den Rahmen dieses Artikels aber sowas von sprengen.
Eine der Kernbeschreibungen des Deutschen Spitzes entstammt dem FCI-Rassestandard:
"Der Deutsche Spitz ist stets aufmerksam, lebhaft und außergewöhnlich anhänglich gegenüber seinem Besitzer. Er ist sehr gelehrig und leicht zu erziehen. Sein natürliches Misstrauen Fremden gegenüber und sein fehlender Jagdtrieb prädestinieren ihn zum idealen Begleit- und Familienhund und zum Wächter für Haus und Hof. Er ist weder ängstlich noch aggressiv. Wetterunempfindlichkeit, Robustheit und Langlebigkeit sind seine hervorragendsten Eigenschaften." [1]
Ein Standard aus dem Jahre 1960 erklärt:
"Ein rassereiner deutscher Spitz, ob Groß- oder Kleinspitz, soll sich von fremden Personen niemals anfassen lassen, sondern stets argwöhnisch und misstrauisch sein." [2]
Gerade im FCI-Standard sind die Charakteristika mitunter etwas "kryptisch". Um diese besser verstehen zu können, schauen wir uns zuerst die Bausteine selbst an - denn sie sind gewissermaßen die Räder, auf denen die Maschine "Deutscher Spitz" läuft:
Was Mut ist, weiß eigentlich jeder, wenn man aber den Begriff erklären will, könnte man ganze bücherbändeweise darüber auslassen. Wichtig ist, dass es Hunde gibt, die in gefährlichen Situationen davonlaufen, und andere, die in solchen Situationen standhalten und ihrem Menschen beistehen.
Unter der Bezeichnung Temperament versteht man die Grundstimmung des einzelnen Individuums. Diese wirkt sich einerseits in Bezug auf die Gefühlstönung aus, anderseits in Bezug auf die Reaktionsbereitschaft des Lebewesens. Unter Gefühlstönung versteht man die Neigung zu einer bestimmten Affektlage, also z. B. die Neigung in Lustgefühlen zu verharren oder auch die gegenteilige Neigung. Dazu gehören Typenbegriffe wie Choleriker, Melancholiker und Sanguiniker, während die Bezeichnung Phlegmatiker eigentlich schon den zweiten Faktor des Temperamentsbegriffes betrifft, nämlich die Reaktionsfähigkeit. Phlegmatisch ist der wenig reaktionsfreudige Hund, bei dem auch die Ausschläge nach der Lust- und Unlustseite so gering sind, dass sie leicht übersehen werden können. Diese Reaktionsbereitschaft ist nun das, was man unter Temperament im engeren Sinne versteht, also die Grundbereitschaft des Hundes, auf Umweltreize stark oder kaum zu reagieren. Im Gegensatz zum Schärfebegriff handelt es sich hierbei jedoch um alle Reize - Gute wie Schlechte - die von dem betreffenden Hund entweder mit freudigen oder mit negativen Gefühlserregungen beantwortet werden. Jene Hunde, die Erscheinungen der Umwelt leicht mit Gefühlserregungen aller Art beantworten, nennt man temperamentvoll, ihr Gegenteil temperamentlos.
Schutztrieb ist die Bereitschaft des Hundes, dem Menschen bei Angriffen beizustehen. Auf Grund des Schutztriebes beantwortet der Hund den Angriff auf seinen menschlichen Gefährten mit Feindseligkeit. Ist der Hund zudem noch mutig, dann kann aus diesem feindseligen Verhalten eine Kampfhandlung entstehen.
Unter Härte versteht man den Widerstand, den ein Wesen unangenehmen Eindrücken entgegenzusetzen imstande ist. Das wird am besten anhand eines Beispiels klar: Ein Hund, der einmal von einem Auto angefahren wurde und danach für längere Zeit - oder gar sein Leben lang - beim Anblick eines Autos in Furcht gerät, wird weich genannt. Ein anderer Hund, der dieses Erlebnis rasch vergessen hat und trotz der unangenehmen Erfahrung Autos gegenüber keine Angst zeigt, ist ein harter Hund.
Unter dem Begriff Misstrauen versteht man einen generellen Argwohn des Hundes allem Fremden gegenüber, eine Eigenschaft, die für einen zuverlässigen Wachhund essentiell ist. Ein Deutscher Spitz - ob groß oder klein - sollte sich daher wirklich niemals von Fremden anfassen lassen, schon gar nicht in Abwesenheit seines Herren.
Kampftrieb ist die Freude am Kampf an sich, dasselbe was beim jungen Heißsporn die Rauflust ist.
Führigkeit ist die Neigung des Hundes, sich vom Menschen führen zu lassen, das heißt auf seine Dressurbeeinflussung und seine Erziehungsmaßnahmen gerne und ohne Widerstand einzugehen.
Schärfe ist die Bereitschaft des Hundes, sich auf Reize, die von außen her an ihn herantreten, feindselig einzustellen. Der Hund, der auf irgendein Geräusch, auf die Erscheinung eines fremden Menschen hin oder sonst einen ungewohnten Eindruck mit "feindseliger" Stimmung antwortet (Knurren, Zähne zeigen, Haare sträuben), ist also scharf, während ein anderer, der keine solche Zeichen zeigt, als unscharf zu bezeichnen ist. Aus der Schärfe selbst entspringt auch die Raubzeugschärfe.
Mannschärfe ist die Bereitschaft des Hundes zur kämpferischen Auseinandersetzung speziell mit dem Menschen - oder auch die Eigenschaft des Hundes, jeder scheinbaren oder tatsächlichen Bedrohung durch den Menschen aktiv entgegenzutreten. [3]
Hier nochmal der FCI-Standard...
"Der Deutsche Spitz ist stets aufmerksam, lebhaft und außergewöhnlich anhänglich gegenüber seinem Besitzer. Er ist sehr gelehrig und leicht zu erziehen. Sein natürliches Misstrauen Fremden gegenüber und sein fehlender Jagdtrieb prädestinieren ihn zum idealen Begleit- und Familienhund und zum Wächter für Haus und Hof. Er ist weder ängstlich noch aggressiv. Wetterunempfindlichkeit, Robustheit und Langlebigkeit sind seine hervorragendsten Eigenschaften."
…und seine Übersetzung:
aufmerksam = wachsam
leicht zu erziehen = leichtführig
lebhaft = temperamentvoll
misstrauisch = argwöhnisch
nicht ängstlich = mutig
gelehrig = klug
anhänglich = auf den Herren bezogen
nicht aggressiv = keine Überschärfe
Und als Text im Ganzen:
"Der Deutsche Spitz ist stets wachsam, temperamentvoll und ausschließlich auf seinen Herren und dessen Besitzstand bezogen (Schutztrieb). Er ist klug und leichtführig. Sein natürlicher Argwohn Fremden gegenüber und sein fehlender Jagdtrieb prädestinieren ihn zum idealen Begleit- und Familienhund und zum Wächter für Haus und Hof. Er ist mutig und besitzt eine angemessene Schärfe (keine Überschärfe). Wetterunempfindlichkeit, Robustheit und Langlebigkeit sind seine hervorragendsten Eigenschaften."
Wie man an dieser Stelle sehr schön sehen kann, sind die besprochenen Wesensmerkmale des Deutschen Spitzes nicht irgendein irrelevanter Schmarrn aus der Vergangenheit, dem Ewiggestrige wie ich noch sehnsuchtsvoll-seufzend nachhängen, sondern werden auch heute noch in seinem Rassestandard beschrieben.
Mein einziger Einwand den Standard betreffend bezieht sich auf die Leichtführigkeit. Im Prinzip ist der Deutsche Spitz vom alten Typ durchaus leicht zu führen - wenn man weiß wie. Der klassischen Leichtführigkeit, wie man sie von anderen Rassen kennt, stehen sein Temperament und seine Intelligenz jedoch diametral entgegen.
Es gibt wohl keine andere Tierart, die eine solche Vielfalt der Formen und des Verhaltens aufweist wie der Hund. Ebenso mannigfaltig wie das Äußere des Hundes sind auch seine Verwendungsformen. Uns Spitzleute interessiert natürlich vor allem die Verwendung des Hundes als Wach- und Hofhund. Von ihm verlangen wir einerseits, dass er die Annäherung von Fremden an das Hab und Gut seines Herrn meldet und diese - wenn nötig - auch stellt oder vertreibt. Andererseits verlangen wir, dass er im Falle eines persönlichen Angriffes auf einen seiner Menschen diesen auch tatsächlich schützt - und nicht mit einem Stöckchen abgelenkt, mit einem Steinwurf verjagt oder mit einem Würstchen bestochen werden kann. Genau dafür braucht unser Deutscher Spitz eben auch die oben besprochenen besprochenen Wesensbausteine. Ohne sie wäre er kein ordentlicher Wachhund, der sich eben nicht davor scheuen darf, im Ernstfall nach vorn zu gehen und seine Zähne einzusetzen! Ein solcher Hund muss dann aber auch besonders gut im Gehorsam stehen, um augenblicklich auf Befehl oder Pfiff abzulassen - gerade im Kampf!
Bei wesensschwachen Hunden dagegen kann die Kampfstimmung zur blinden Raserei ausarten, dies nennt man dann Überschärfe. Da sie erzieherisch kaum kontrollierbar ist, ist sie ebenso unerwünscht wie Scheinschärfe, die beispielsweise bei Angstbeißern auftritt und mit echter Schärfe nichts zu tun hat.
Ein guter Wachhund muss also zwingend mit einem gewissen (kontrollierbaren!) Grad an Schärfe ausgestattet sein. Die Schärfe selbst hängt mit dem Selbsterhaltungstrieb zusammen und wenn dieser sehr stark ausgebildet ist, kann es leicht zu einer gewissen "Ängstlichkeit" des Hundes kommen. Eine Prise Ängstlichkeit ist für einen Wachhund jedoch durchaus sinnvoll, denn sie hält die Aufmerksamkeit auf einem hohen Niveau und fördert so die Wachsamkeit. Keinesfalls aber sollte sich die Ängstlichkeit so weit steigern, dass der Hund überwachsam wird und jede, wirklich jede belanglose Kleinigkeit durch nicht enden-wollendes Gekeife meldet.
Als einfache "Alarmanlage" eignen sich die meisten Hunde, irgendwelchen "Kampfwert" haben allerdings die wenigsten. Hier muss man dann eben auf einen ordentlichen Wachhund wie den Spitz zurückgreifen, dem das Wachen im Blute liegt. Von ihm verlangen wir, dass er bei Gefahr nach vorn geht und im Notfall auch zupackt. Und dazu braucht es eben Misstrauen, Mut und Schärfe.
Wie sehr sich der Deutsche Spitz seit jeher als unübertrefflicher Wächter von Haus und Hof hervorgetan hat, und dass es dazu auch Eigenschaften bedarf, die sich erstmal nicht kuschelig und süß anhören, zeigt sich sehr schön anhand dieses alten Textes:
"Das Gehör des Spitzers ist unübertrefflich scharf und die geringste Ungehörigkeit auf seinem Terrain wird von ihm mit rasendem Gebell signalisirt, das er aber auch stundenlang mit mit steigernder Wuth fortsetzt, bis ihm die Stimme überschnappt und er ganz heiser wird. Erst nachdem der Gegenstand seines Missfallens verschwunden ist, beruhigt er sich wieder. Was unter seiner Obhut ist, das bewacht er mit einer solchen Gewissenhaftigkeit und hütet und schützt es mit so zorniger Eifersucht, dass er bereit ist, für das Kleinste sein Leben einzusetzen, aber nicht dasselbe muthwillig preiszugeben. Sein Terrain, das er als sein Eigenthum, als seine Burg betrachtet, verlässt er nicht, so lange er seinen Wächterdienst ausübt, geht er ja außerhalb seines Bezirks, flanirt umher und sieht etwas Verdächtiges, so eilt er schnurstraks heim und erwartet den Feind an der Grenze, geht dieser, so ist der Spitzer zufrieden; über die Grenze hinaus verfolgen, hält er für unter seiner Würde. Gegen seinen Herrn ist er liebenswürdig und ein Schmeichler. Seine Augen leuchten und er windet und wälzt sich, kriecht und springt vor lauter Wonne, wenn ihn die Hand des Herrn streichelt, wenn ihm Schmeichelworte gesagt werden. [...] ...wo man aber eines treuen Hüters bedarf, ist er geradezu unersetzlich." [4]
Formulierungen wie "mit steigernder Wuth", "zorniger Eifersucht" und "Feind" beschreiben hier indirekt die für seinen Wächterdienst unverzichtbare Schärfe des Spitzers. Diese Schärfe beinhaltet durchaus aggressive Aspekte, oder wie es in einem alten Buch über die Jagd heißt:
"Die Schärfe soll beim Hunde in erster Linie in einem ausgesprochenen Hasse gegen alles Raubzeug bestehen. Dieser Hass bildet die Triebfeder zur ausdauernden Verfolgung eines Räubers. [...] Die Ausbildung dieser Schärfe hat einen erstaunlichen Einfluss auf das Temperament des Hundes, das heißt, ein ausgesprochen scharfer Hund ist auch ein ausgesprochen temperamentvoller Hund. Der junge Hund, der später einmal ein scharfer Hund zu werden verspricht, zeigt diese Anlage schon in seiner Jugend. Er ist aufgeweckt, beweglich, frech und misstrauisch gegen Fremde, benimmt sich mitunter ganz rabiat gegen streunende Katzen, Krähen etc. und verbellt oder verfolgt sie. Auch Mäuse, Ratten und Rabenvögel sind vor ihm schon in frühester Jugend nicht sicher."[5]
Schärfe bzw. Raubzeugschärfe haben daher absolut nichts mit dem Jagdtrieb selbst zu tun - denn ein jagender Hund verfolgt ein Rehkitz sicherlich nicht aus Hass, sondern um es letztendlich zu erlegen und aufzufressen.
Der prinzipielle Unterschied zwischen einem Wachhund und einem Schutzhund ist der, dass der Wachhund quasi von zu Hause aus arbeitet, während der Schutzhund überall dort, wo er sich mit seinem Herrn befindet, wachsam sein soll.
Nun gibt es Hunde, die im eigenen Revier sehr wachsam und verlässlich sind, aber außerhalb längere Zeit brauchen, bis sie sich so eingewöhnt haben, dass sie auch im neuen Revier verlässlich wachen. Ein solcher Hund ist als Schutzhund sicherlich nicht sonderlich geeignet. Ein ordentlicher Schutzhund muss gewissermaßen seinen Herren als Zentrum eines wandernden "Zuhauses" ansehen und überall dort wachen, wo er sich mit ihm befindet.
Die für den Schutzdienst benötigten Wesensbausteine sind identisch mit denen des Wachhundes, auch hier spielen Mut und Schärfe des Tieres eine übergeordnete Rolle. Ein Hund, der beispielsweise vor einem erhobenen Stock knurrend zurückweicht, ist ebenso wenig ein guter Schutzhund, wie einer, der zwar mutig, aber komplett unscharf ist.
Der Unterschied zwischen Mut und Schärfe muss an dieser Stelle einmal deutlich hervorgehoben werden, denn es besteht ein Gegensatz zwischen beiden Begriffen. Mut ist eine Domestikationserscheinung, eine Folge des jahrtausendelangen Lebens mit dem Menschen und unter seinem Schutz, Schärfe hingegen ist eine Folge des Selbsterhaltungstriebes, sie ist das feindselige Misstrauen gegenüber allem Unbekannten. Die beiden Wesenselemente können sich jedoch miteinander vermischen und folgende vier Kombinationen ergeben:
Mutige und zugleich auch scharfe Hunde
Mutige aber nicht scharfe Hunde
Mutlose und nicht scharfe Hunde
Mutlose, scharfe Hunde
Das sind die vier Typen, die wiederum eine Unzahl an Zwischenstufen und Nuancen beinhalten. Der scharfe Hund nimmt gegenüber Unbekanntem und/ oder Ungewöhnlichem als auch gegenüber einer Bedrohung sofort eine feindliche Haltung ein. Er knurrt, bellt, fletscht die Zähne und bekommt eine Bürste. Ist er gleichzeitig mutig, dann wird er nach vorn gehen und versuchen, den Kampf aufzunehmen. Ist er hingegen mutlos, so wird er zu fliehen versuchen - also zurückweichen bzw. an gespannter Leine rückwärts zerren. Der nicht scharfe Hund wird gegenüber den gleichen Ereignissen keine Anzeichen einer feindlichen Einstellung zeigen. Er wird also weder knurren noch bellen noch Angriffsversuche machen. Ist er dabei mutig, wird er ruhig stehenbleiben, maximal aufmerksam hinsehen und hinhören, was es da Merkwürdiges gibt, vielleicht sogar ohne Anzeichen von Aggression neugierig hinstreben. Ist er hingegen mutlos, dann wird er sich ohne Anzeichen feindseliger Einstellung in Sicherheit bringen wollen. [3]
Ja, ja und nochmal ja! Auch wenn sich die Beschreibung des Deutschen Spitzes erstmal nach Waffenschein anhört, darf man sich davon nicht blenden lassen. Denn ein Familienhund ist ja ein Hund, der ganz besonders auf seine Familie bezogen ist. Ein Hund, der seine Familie bewacht und beschützt - und nicht jeder fremden, zwielichtigen Gestalt auch noch Pfötchen gibt oder sich mit einem Steak bestechen lässt. Daher MUSS ein ordentlicher Familienhund scharf, kampfbereit und wachsam sein, wenn er die Familie wirksam schützen soll, sonst ist er nicht mehr als eine kläffende Alarmanlage. Der mannscharfe Hund, der sich zum Schutze seiner Familie eben auch nicht scheut, zur Not auch Menschen effektiv abzuwehren, ist daher ein ganz besonders vorbildlicher Familienhund. Das kann man gar nicht oft genug betonen! Mir käme daher niemals so ein Allerweltsliebchen-Spitz ins Haus, insbesondere dann nicht, wenn ich Kinder hätte.
Ein weiteres Pro-Argument für den Deutschen Spitz als Hund für Familien mit Kindern (gerade mit Säuglingen oder Kleinkindern) ist sein fehlender Jagdtrieb. So kann ein hinfallendes Kind bei einem Hund mit Jägerblut in Sekundenbruchteilen den Beutetrieb auslösen - antrainierte Impulskontrolle hin oder her. Attackiert ein Hund ein Kind, liegt hier nämlich kein übersteigertes Aggressionsverhalten vor, sondern einfaches Beutefangverhalten. So wurden beispielsweise der kleine Volkan Kaya im Jahre 2000 [6] und der 6-jährige Süleyman im Jahre 2005 [7] laut Dr. Dorit Feddersen-Petersen [8] durch kooperatives Beutefangverhalten getötet. Das kann - aufgrund seines fehlenden Jagdtriebes - beim Spitz nicht passieren!
Insofern liegen die selbsternannten "Modernisierer" des Spitzers komplett daneben mit ihrer These, dass der Spitz der heutigen Zeit angepasst werden muss, um nicht auszusterben ("Wer möchte denn heute noch scharfe Wachhunde, die nach vorn gehen?" *räusperräusperhandheb*). Gerade der raue Bauernhofspitz mit seinem Eigensinn, seiner Schärfe und seinem fehlenden Jagdtrieb könnte nicht geeigneter für Familien sein. Er ist eben kein nutzloser Spielzeughund, der sich freut, wenn Fremde "seine" Kinder anquatschen, sondern er kommt umgehend ins Handeln. Garantiert! Und er stellt eben auch keine Gefahr für "seine" Kinder dar!
Dass es mitunter vermieden wird, über beispielsweise die Mannschärfe des Deutschen Spitzes zu sprechen, hat meiner Meinung nach wohl drei Gründe: Begrifflichkeiten wie "Schärfe" klingen in manchen Ohren zu martialisch. Oder aber es ist schlicht wenig bis kein Wissen über die Wesensbausteine des Spitzes vorhanden. Oder aber, man befürchtet, Käufer mit solch' "negativ angehauchten" Beschreibungen der Rasse abzuschrecken. Wie auch immer: Ohne jene Elemente seines Wesens wäre der Spitz kein Spitz. Und wer sich vom Klang einer "Mannschärfe" vergraulen lässt, der war beim Deutschen Spitz eh nicht richtig.
Daher darf man sich keinesfalls von den den Spitz betreffenden Wesensbeschreibungen auf die falsche Fährte bringen lassen: gerade Spitzens scheinbar schlechte Eigenschaften formen ihn erst zu einem ganz hervorragenden und zuverlässigen Wächter, welcher seine Familie mit seinem Leben schützt. Wichtig ist eben nur, dass ein Hund, wie der Spitz, der durchaus gefährlich werden kann, dann eben besonders gut im Gehorsam stehen muss!
Wie schon so oft auf meiner Website erwähnt, sollte derjenige Käufer, der sich gern den ursprünglichen Deutschen Spitz anschaffen möchte, sehr genau hinschauen, wo er kauft, da inzwischen leider die Tendenz dazu besteht, züchterisch keinen übergeordneten Wert mehr auf das Wesen der Nachzucht zu legen. Eine Liste von Groß- und Wolfsspitzzüchtern, von denen mir bekannt ist, dass sie viel Gewicht auf die ursprünglichen Wesenseigenschaften des Spitzes legen, findet sich auf meiner Seite unter der Rubrik "Züchter".
[1] Auszug aus dem FCI Standard Nr. 97/12.11.2019/D - Deutscher Spitz:
[2] "Der Deutsche Spitz" Nr. 26, Seite 3
[3] Vgl. Dr. Rudolf Menzel: "Erbgut und Umwelt"
[4] Leonard Hoffmann: "Das Buch vom gesunden und kranken Hunde"
[5] Vgl. Ludwig von Merey: "Der Gebrauchshund: Seine Erziehung und Dressur", S. 69 ff.
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Todesfall_Volkan_Kaya
[7] https://www.swissinfo.ch/ger/prozess-gegen-pitbull-halter-eroeffnet/5632458
[8] Vgl. Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen: "Ausdrucksverhalten beim Hund", S. 319 f.
Stand: 30.03.2023